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Wölfe der Nacht

Wölfe der Nacht

Titel: Wölfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Percy
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mein Mann.«
    Er weiß nicht, was er darauf antworten soll, und so stehen sie einen Augenblick nur da und schauen sich an. Über ihnen hängt ein regennasser Basketballkorb wie ein Kronleuchter. Der Wind wird stärker und wirft eine Regenwand auf sie, die ihre Kleidung dunkel macht.
    Ein Zittern geht durch ihren Körper, und sie schaut sich über die Schulter und er folgt ihrem Blick über die Straße zu einem weißen Ranchhaus mit grünen Läden. Im Panorama fenster steht ein älteres Paar und beobachtet sie. »Meine Nachbarn«, erklärt sie. »Sie haben nicht viel zu tun.«
    Er hebt den Arm, um ihnen zu winken, und sie weichen vom Fenster zurück, als hätte er einen Stein nach ihnen geworfen.
    »Schätze, ich jage ihnen Angst ein«, sagt er.
    Sie schaut ihn von oben bis unten an und ihre Mundwinkel heben sich zu einem Lächeln. »Schätze.« Regentropfen hängen ihr an den Wimpern und perlen über ihre nackten Schultern.
    »Hören Sie. Sie gehen besser zu Ihren neugierigen Nachbarn zurück. Das hier kann eine Minute oder auch dreißig dauern.«
    »Bitte beeilen Sie sich«, flüstert sie übertrieben leise. »Dort drüben riecht es entsetzlich nach Mottenkugeln.«
    »Ach, und ich dachte, das ist Ihr Parfum.« Normalerweise ist er nicht so gewitzt. Der Satz überrascht ihn selbst.
    »Sie.« Sie verzieht in gespielter Verärgerung das Gesicht und hebt die Faust, als wolle sie ihn schlagen, wird sich dann aber bewusst, dass sie sich überhaupt nicht kennen. »Okay. Dann gehe ich jetzt.«
    Er sieht ihr nach, und ihre Laufschuhe schleudern Wasserschwänze hoch. Eine Krampfader wandert die Rückseite ihres Beins hoch wie ein sich windender Wurm.
    Auf der vorderen Veranda stellt er seinen Werkzeugkasten ab und kauert sich davor. Daneben steht eine Holzbank mit eingeschnitzter Efeu-Verzierung, links und rechts davon stehen zwei Tonschalen voller roter Geranien. Auf der Bank liegt ein verwitterter Kürbis, ein Überbleibsel von Halloween. Seine eingesunkenen Augen und das durchhängende Grinsen sind mit schwarzem Schimmel gesprenkelt. Brian riecht seinen süßlichen Fäulnisgestank. Ein Geländer aus Holzlatten umgibt die Veranda. Dahinter liegt ein halbmondförmiges Beet mit Chrysanthemen, Herbstzeitlosen und Goldrute. Er stellt sich vor, wie sie dort kauert, verwelkte Blumen stutzt, Unkraut jätet. Im Regen spritzt Schlamm vom Mulch hoch und sprenkelt die Seitenwand des Hauses.
    Er nimmt das alles auf, während er seine Werkzeuge aus dem Kasten holt. Schließlich sucht er sich einen Dietrich aus. Er dreht den Türknauf. Er lässt sich frei drehen. Er drückt, und der Sperrriegel blockiert die Tür. Er schiebt den Dietrich ins Schloss. Vorsichtig wie ein Zahnarzt, der Plaque von einem empfindlichen Zahn kratzt, zählt er die Menge der Stiftsäulen. Dann nimmt er einen Schlüsselrohling, poliert den Teil, mit dem die Stiftsäulen in Kontakt kommen werden, steckt ihn dann ins Schloss und dreht ihn, um den Kontakt mit den Stiften herzustellen. Er ruckelt ihn ein paar Mal hin und her, bevor er ihn wieder herauszieht. Das polierte Messing zeigt jetzt die Abdrücke der Stifte. Mit einer Rundfeile bearbeitet er den Rohling, feilt an den Stiftmarkierungen nur wenige Tausendstel des Messings heraus, bevor er den Rohling wieder poliert und erneut ins Schloss steckt. Diesen Vorgang wiederholt er mehrmals. Feuchtes Wetter macht Schlösser widerspenstig. Nach zwanzig Minuten dreht der Schlüssel sich im Schloss, die Tür geht auf, und er späht kurz in die dunkle Diele, bevor er sich umdreht, um sie zu sich zu winken, dabei aber sieht, dass sie bereits auf ihn zugelaufen kommt.
    Sie eilt die Stufen hoch und fährt sich mit der Hand über die Stirn, um den Regen wegzuwischen. »Sie sind mein Retter!« Sie lächelt. Er wird das Gefühl nicht los, dass an diesem Lächeln etwas Freudloses ist. Ihre Lippen sind rot. Ihre Zähne sind lang und weiß, sie erinnern ihn an Knochen, die man in einer Wunde sieht.
    Er nickt. »Ich bin Ihr Retter.« Er kann nicht aufhören zu nicken. Sie hat den Kopf schief gelegt, schaut ihn neugierig an und wartet darauf, dass er noch etwas sagt – wahrscheinlich Auf Wiedersehen! –, aber er steht einfach gerne auf ihrer Veranda, während der Regen zischt und die Kiefern schwanken. Er spürt gerne ihre Hitze neben sich. Er riecht gerne ihren Schweiß vermischt mit dem feuchten Beifuß, den der Regen mit sich trägt. Deshalb versucht er, den Augenblick zu verlängern, indem er etwas sagt, das ihn länger hier

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