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Wölfe der Nacht

Wölfe der Nacht

Titel: Wölfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Percy
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seinem Schrank und manchmal zog er es an und stellte sich vor den Spiegel und trommelte sich auf die Brust – einmal, zweimal –, während er heftig in seine Maske atmete. Er wusste nicht warum, aber er bekam davon eine Erektion. Normalerweise kam sein Vater erst zum Abendessen nach Hause, und so dachte er, er könne gefahrlos in seinem Affenkostüm durchs Haus laufen und fernsehen und seine Hausaufgaben machen, aber eines Tages kam sein Vater früh nach Hause, und weil Brian den Fernseher sehr laut gedreht hatte, hörte er weder das Motorgeräusch noch das Knirschen der Kieseinfahrt noch das Klirren der Schlüssel. Als sein Vater, aus der Garage kommend und mit einer Pizza in der Hand, die Tür aufstieß, sprang Brian von der Couch hoch. Sein Vater schrie erschrocken auf und ließ die Pizza zu Boden fallen – das Pappemaul des Kartons rülpste Käse und Peperoni.
    Motten – Pandora-Motten groß wie Handteller – flatterten von draußen herein, während sein Vater an der offenen Tür lehnte und Brian mit zusammengekniffenen Augen anschaute, die seine Neugier und seine Enttäuschung verrieten. »Was ist denn los mit dir?«, fragte er schließlich. Noch an diesem Abend wanderte das Affenkostüm in den Müll, aber Brian hat nicht aufgehört, daran zu denken – so wie ein Amputierter nie aufhören wird, an den verlorenen Körperteil zu denken –, zu stark ist die Erinnerung an das Gefühl der Macht, das dieses Kostüm ihm gab.
    In den letzten Monaten hat er in seinen Fallen Wiesel und Baummarder und Kojoten und Biber und sogar einen Vielfraß erlegt. Bei allen bis auf den Biber, bei dem ein kompletter Frontalschnitt nötig war, schnitt er knapp unter dem Fesselgelenk kreisförmig um die Hinterläufe, dann an der Rückseite der Läufe bis zum Anus, und zog von dort aus das Fell von den Hinterläufen. Den Schwanzknochen entfernte er, indem er an der Unterseite des Schwanzes vom Anus bis zur Spitze schnitt und dann den Knochen herauslöste. Schließlich zog er die Haut behutsam von den rosigen Körpern, als würde er einer Frau ein nasses Nachthemd ausziehen. Am Kopf angekommen, musste er die Ohrknorpel durchtrennen und Schnitte um die Augen und durch die Lippen setzen, um das Fell komplett abzuziehen.
    Dann schabte er Fett, Fleisch und Knorpel von der Innenseite des Fells, wusch es mit Wasser und Seife und tupfte es schließlich mit einem Tuch trocken. In der Garage hat er mehrere hölzerne Spannrahmen, zentrierte die Felle darauf, zog sie straff und wartete einen Tag, bis sie trocken waren, dann drehte er sie um und wartete noch einen Tag, bestrich dann die Unterseiten mit Pflanzenöl, damit sie geschmeidig blieben, und bearbeitete die Felle mit einem Hundekamm, damit sie flauschig und glänzend aussahen.
    In einem Goodwill-Laden kaufte er sich eine Kleiderpuppe, die er als Gerüst benutzte. Beim Militär hatte er Nähen gelernt, allerdings nicht mit Leder. Das Internet verriet ihm alles, was er nicht schon wusste, etwa, dass man das Loch sauber hält, indem man den Vorstich leicht befeuchtet und die Diamantahle vor jedem Stich mit einem Bienenwachsblock poliert. Mit einem gewachsten, fünffädigen Leinengarn vernähte er die Einzelteile in der Sattlerstichtechnik, wobei er sehr behutsam arbeitete, um das Garn nicht zu zerreißen oder das Leder zu beschädigen.
    Zuerst schneiderte er das Beinteil aus vier grauen Kojotenfellen und fügte dann für das Oberteil die restlichen Felle nach Form und Farbe passend aneinander. So entstand eine Patchwork-Jacke, die ihm locker von den Schultern hing, damit sie nicht riss, wenn er rannte oder mit ausholenden Bewegungen auf Bäume kletterte oder über Wasserläufe sprang.
    Und jetzt ist er fast fertig, er verknotet nur noch den letzten Stich für den Helm oder die Maske – er weiß nicht so recht, wie er es nennen soll –, entstanden aus dem Biber, den er vorgestern gefangen hat. Er ist im Wohnzimmer – sitzt auf derselben durchhängenden Couch und starrt in denselben Mitsubishi-Fernseher mit Holzgehäuse wie damals, als sein Vater ihn vor so vielen Jahren überraschte. Glücksrad läuft. Pat Sajak redet mit einem Kandidaten, einem Mann aus Kentucky mit einer wunderbaren Frau, der davon träumt, eines Tages eine Kreuzfahrt nach Alaska zu machen. Seine Hände sind deformiert. Sie sehen aus wie fleischige Hummerscheren. Ein anderer Kandidat dreht für ihn das Rad.
    Die Sonne ist untergegangen. Die Vorhänge sind geschlossen. Die Schaufensterpuppe steht neben dem Sofa, auf ihr

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