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Wölfe der Nacht

Wölfe der Nacht

Titel: Wölfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Percy
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auf den Fluss zu, aber Justins Vater geht wortlos weiter geradeaus, trampelt einen dunklen Pfad durch das Gras. Justin und Graham folgen ihm, während der Hund herumstreunt, manchmal vor und manchmal hinter ihnen, immer keuchend. Sein ganzer Körper scheint zusammen mit seinem Schwanz zu wedeln, während er an einer Lupinenstaude schnuppert oder auf einen Maulwurfshügel pisst oder mit dem Kiefer knackt, als er einen Grashüpfer sieht, oder ein Gelbbauchmurmeltier verbellt, das vor seiner Höhle eine Warnung keift.
    Stumm besichtigen sie den Bauplatz. Das Gras der Umgebung ist niedergetrampelt und mit Unrat verziert. Eine zerknüllte McDonald’s-Tüte. Eine leere Dose Skoal. Zigarettenkippen. Justins Vater hebt eine zerdrückte Cola-Dose auf und untersucht sie wie ein interessantes Artefakt, bevor er sie sich über die Schulter wirft.
    Justins Frau zieht ihn oft auf, weil er immer hektisch blinzelt, wenn er verblüfft ist. Er merkt, dass er es auch jetzt tut, seine Lider öffnen und schließen sich wiederholt, wie um einen Fremdkörper aus seinem Auge zu entfernen. Blinzeln ist das Einzige, das zu tun ihm einfällt. Er hat diesen Ort immer als die Definition des Wilden betrachtet. All diese menschlichen Spuren zu sehen, die ihn überlagern, wirkt irgendwie falsch, unpassend, wie grünes Gras, das durch eine Schneeverwehung sprießt.
    Eine hohe Kieferngruppe grenzt an die Wiese, und auf jeden Stamm ist ein rosa X gesprüht. Ein Dutzend Bäume wurden bereits gefällt und die Stümpfe samt Wurzeln aus der Erde gezogen, wo sie große Löcher hinterließen, in die ein Mann sich hineinlegen könnte – und das alles nur, um die Durchfahrt des Baugeräts von der Straße zur Wiese zu ermöglichen. Justin riecht Harz und feuchte Erde. Fast weißes Sägemehl überzieht den Boden wie frisch gefallener Schnee. Hier und dort stecken Vermessungsmarkierungen. Man kann sich nur schwer vorstellen, was in den nächsten Wochen, Monaten, Jahren passieren wird.
    Am kommenden Montag wird eine Legion von Männern in Carhartt-Jacken und Stiefeln mit Stahlkappen durch den Canyon schwärmen, Bäume fällen und Unterholz roden. Bobby will, dass der gesamte Canyon bis Weihnachten gerodet ist, er will aus Steuergründen das Entwicklungsprojekt noch vor Jahresende beginnen. Und im folgenden Frühjahr werden dann nach der Schneeschmelze die ersten provisorischen Straßen verlegt, gefolgt von Versorgungsleitungen. Sobald unter dem Waldboden Strom summt, werden Justins Vater und seine Männer ihn anzapfen und mit der Arbeit an dem Zentralbau beginnen, in dem Bobby ein Golfgeschäft, ein Restaurant, eine Bar, einen Festsaal und fünfzig Zimmer untergebracht haben will. Im nächsten Herbst werden die Häuser für den privaten Verkauf errichtet, und kalifornische Rentner in Polohemden werden anfangen, die Anwesen zu kaufen.
    Graham geht zu einer besprühten Kiefer. Er hält sich die Kamera ans Auge und macht ein Foto.
    »Wozu soll das gut sein?«, fragt ihn Justins Vater.
    »Wozu?« Die Kamera noch am Auge dreht Graham sich um und schießt noch ein Foto, diesmal von seinem Großvater mit dem Daumen im Gürtel.
    »Was soll denn das für ein Foto sein?«
    Graham lässt die Kamera sinken und zuckt die Achseln.
    »Wenn du für das National Geographic arbeiten willst, solltest du einen Wapiti auf einem Berggipfel fotografieren oder so was in der Richtung. Das wäre dann ein Foto.«
    Graham steht noch einen Augenblick da und wartet, ob sein Großvater sonst noch etwas zu sagen hat, und erst dann fragt er, was das X eigentlich bedeutet.
    »Es bedeutet, dass der Baum anvisiert ist«, sagt sein Großvater. »Wie ein Bock im Fadenkreuz.« Er tritt beiläufig gegen die Schaufel eines Traktors. Als Boo das dumpf metallische Bong hört, fängt er hektisch an zu bellen. »Still, Boo.« Es mag nur ein Spiel des Lichts sein, aber er wirkt plötzlich zehn Jahre älter. Sein Gesicht hat etwas Distanziertes, das Bedauern oder Traurigkeit oder dergleichen bedeuten könnte. Vielleicht Resignation.
    Die Kiefer weiß nicht, was mit ihr passieren wird. Sie bleibt arglos, pumpt ihren Saft und streckt ihre Wurzeln immer tiefer in die Erde, bis die Säge in ihre Rinde dringt. Und wenn das passiert, wenn die Säge kreischt und die Späne wie ein Fächer aus dem Schnitt spritzen, dann verschwindet ihre Zukunft. Der Wind wird nicht mehr durch ihre Nadeln fahren wie Finger durch Haare, Vögel werden keine Nester mehr in ihrem Geäst bauen. Jäger werden sich nicht mehr in ihren

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