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Wölfe der Nacht

Wölfe der Nacht

Titel: Wölfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Percy
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sollen«, und nachdem er sich mit »Tut mir leid. Ich wollte Ihnen nur zuschauen. Ich schaue Ihnen gern zu« entschuldigt hätte, würde sie für sie beide einen Drink eingießen und bald darauf würde er sich zu ihr beugen für einen langen, süßen Kuss, aus dem etwas Gierigeres werden würde. Der Gedanke erregt ihn. Seine Erektion drückt schmerzhaft gegen die Hose. Er reibt sie kurz, um sie zu besänftigen.
    Und dann klingelt das Telefon.
    Zuerst denkt Brian, das Geräusch kommt aus dem Fernseher – das Zweitonklingeln klingt ähnlich wie die lokale Wetteransage von Z-21 – , aber als Karen nach der Fernbedienung greift und den Fernseher ausschaltet, duckt Brian sich gerade noch rechtzeitig hinter den Sessel. Karen springt vom Boden auf und stößt im Vorbeigehen gegen den Sessel. Er schaukelt, und Brian bremst ihn mit der Hand. Er versucht, den Atem anzuhalten und zu einem Teil des Mobiliars zu werden, als Karen direkt neben ihm auftaucht, im Halbdunkel über ihm steht.
    Brian spürt brennende Flecken auf der Haut, ist sich ganz sicher, dass sie ihn sehen kann. Ihre Augen sind noch getrübt vom Licht des Fernsehers. Und sie bewegt sich jetzt durchs Wohnzimmer, durch den Durchgang und den Gang hinunter in die Küche, wo ihr Telefon steht.
    Mit leisen Bewegungen schleicht Brian zur anderen Seite des Sessels und kauert sich wieder hin. Er hört ein Schaben, als sie das Telefon von der Anrichte nimmt, ein Klicken, als sie es aufklappt, und dann ihre Stimme, die sagt: »Hey, Rachel«, dann »Hat er das tatsächlich getan?« und dann Gelächter.
    Brian fühlt sich plötzlich abgeschnitten, von ihr getrennt. Seine Erektion erschlafft. Die Wirkung des Biers verfliegt langsam, jetzt ist er nur noch müde. Er würde jetzt gern davonlaufen, nach Hause zurückkehren, kalt duschen und sich alleine ins Bett legen. Denn allein sollte er auch sein. Das Gelächter in der Küche geht weiter. Ihre Verbindung zu jemand anderem bedrückt ihn, gibt ihm das Gefühl, schlaff zu sein, irgendwie besiegt. Er weiß, er könnte sie nie so zum Lachen bringen.
    Er steht auf und sieht dann auf der Couch die zusammengelegte Wäsche, ihre Unterwäsche in einem ordentlichen Stapel, einiges davon aus violetter Spitze. Er nimmt sich ein Teil und dann noch ein paar andere, eine Bluse, einen Rock, was gerade oben auf den Stapeln liegt, und verlässt das Zimmer, schleicht sich durch die Tür, poltert die Verandastufen hinunter und läuft zu seinem Auto.
    In seiner Hast ist er unvorsichtig. Er rennt die Straße entlang anstatt durch den Wald. Sein Atem füllt seine Maske und verdrängt die Geräusche der Außenwelt, darunter auch das Motorengeräusch eines Pick-ups, das Knirschen der Räder, als er auf ihn zufährt. Ungefähr eine Sekunde, bevor er um die Kurve biegt, sieht er den Lichtschein, der immer heller wird. Und dann taucht der Pick-up dreißig Meter vor ihm auf, und er ist gefangen im blendenden Strahl der Scheinwerfer. Vielleicht ist es das Bier, das sich über ihn gelegt hat wie ein schwerer Mantel, auf jeden Fall reagiert er nicht schnell genug. Mitten auf der Straße steht er einfach da, einen Arm erhoben, um die Augen zu beschirmen, bis schließlich die Reifen quietschen und der Pick-up schaukelnd zum Stehen kommt. Erst jetzt schaltet sich sein Instinkt ein und er springt in den Wald.
    Der Pick-up steht noch lange da, das sieht Brian, der jetzt in einiger Entfernung zwischen den Bäumen kauert und murmelt: »Blöd, blöd, so blöd.«

JUSTIN
    Nachdem Graham zu Ende gegessen und seinen Teller beiseitegestellt hat, zieht er sein Buch hervor – Flora und Fauna im Pazifischen Nordwesten – und blättert eine Weile darin, bevor er sich für eine Seite entscheidet. Justin fragt, was er liest, und er sagt: »Einen Artikel über Maulbeerhirsche.«
    »Wenn du einen Augenblick Zeit hast, sag mir, was da über Bären steht.«
    Graham schlägt das Register auf und studiert es einen Augenblick, bevor er die richtige Seitennummer findet. Dann schlägt er diesen Abschnitt auf und drückt den Rücken auf, damit die Seiten flach liegen. »Soll ich es vorlesen? Laut?«
    »Ja.«
    Beim Lesen fährt er die einzelnen Zeilen mit dem Finger nach und berichtet ihnen beinahe in einem Singsang, dass Bären zottelige Pelze und rudimentäre Schwänze haben und Sohlengänger sind. Ihr Sehvermögen ist schlecht, doch sie haben ein scharfes Gehör und einen sehr guten Geruchssinn, der sie totes Fleisch über eine Entfernung von mindestens sieben Meilen wittern

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