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Wölfe der Nacht

Wölfe der Nacht

Titel: Wölfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Percy
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Containern oder die Flüsse, in denen sich die Forellen tummeln? Hunger muss der Grund sein. Er ist immer der Grund.
    Sein Vater steht von seinem Stuhl auf und geht um das Feuer herum, und es wirft seinen Schatten auf die Bäume wie den eines herumschleichenden Tiers. »Ich brauche was zu trinken.«
    »Du hast doch schon was.«
    »Einen richtigen Drink.« Er sucht in ihrer Behelfsküche herum, bis er die Flasche Jack Daniels findet. Er hält sie in die Höhe, betrachtet sie wie einen durchsichtigen Achat und senkt sie dann. Der Giftbeutel schwappt im Whiskey. »Irgendjemand Durst?«, fragt er mit der Sichel eines Grinsens, das in seine Wangen schneidet.
    »Ich halte das für eine schlechte, wirklich schlechte Idee.«
    »Immer das Leben jeder Party«, sagt er, wie zu sich selbst. »Mein Sohn.«
    »Ich will dich nur daran erinnern, was vor ein paar Stunden passiert ist.« Justin benutzt seine väterliche Stimme, das merkt er selbst, die Stimme, die er bei Graham benutzt, wenn der vergessen hat, den Müll hinauszutragen, oder keine Lust hat, den Rasen zu mähen. »Du vornübergebeugt, unfähig zu atmen, mit irgendwas in dir – ich weiß nicht was –, das völlig durcheinandergeraten ist.«
    Paul setzt sich wieder. Der Klappstuhl ächzt unter seinem Gewicht, und Boo hebt den Kopf von den Pfoten, um ihn anzuschauen, gähnt dann und lässt die Zähne klicken. »Ich nehme nur einen winzig kleinen Schluck«, sagt er. Mit den Fingern zeigt er an, wie klein der Schluck sein wird, bevor er den Deckel abschraubt. »Aus medizinischen Gründen. Der Whiskey brennt das ganze Schlechte aus mir raus.« Er hebt die Flasche wie zum Prosten, trinkt einen Schluck, schmatzt dann und zuckt die Achseln. »Schmeckt nicht anders als sonst.«
    Danach wird er still. Justin beobachtet ihn argwöhnisch. Kurz darauf blinzelt er mehrmals, als müsste er die Augen wieder scharf stellen. Hin und wieder durchläuft ihn ein Zittern. Er schüttelt die Beine und starrt ins Feuer, als wäre er vorbereitet, sofort wegzulaufen, sollten die Flammen hochlodern und drohen, ihn zu versengen. Der Cocktail hat eine beunruhigende Wirkung auf ihn, aber Justin sieht nicht, was eine weitere Ermahnung bringen würde außer einer Erhöhung der Herzfrequenz, deshalb beobachtet er ihn nur sehr aufmerksam und wartet darauf, dass er umkippt.
    Doch das tut er nie. Zweifellos hilft es, dass er einhundertzwanzig Kilo wiegt und einen Bauch voller Essen mit sich herumträgt. Nach zwanzig Minuten ist das Schlimmste vorüber, und er wird starr und meditativ. Sein Blick brennt durch das Flirren der Hitzewellen, die vom Feuer aufsteigen. »Ich spüre meine Lippen nicht«, ist alles, was er in dieser Zeit sagt, so leise, dass Justin nicht sicher ist, ob er irgendwas gesagt hat.
    Als ein Holzscheit aufspringt und knallt, wirbeln Funken hoch, um sich mit den Sternen zu vereinen. Justin schaut in dem Augenblick hoch, als eine Sternschnuppe fällt und leuchtend durch den Himmel zieht und kurz die Nacht erhellt wie ein Blitz im Herbst. Dann kommt noch eine. Ein Meteoritenschauer. Justin sagt den beiden, sie sollen hinschauen. Jeder Lichtblitz wird abgelöst von einem anderen und dann noch einem, der sich löst und ziehend leuchtet und dann im Nichts verschwindet.
    »Da ist eine«, sagt Justin, und Graham sagt: »Das war eine gute.«
    Dann geht der Mond auf und löscht die Schnuppen. Er hat einen weißen Hof, so dass er aussieht wie ein riesiges Himmelsauge, das auf sie herabsieht. Eine große Ohreule saust durch seinen Schein und verdunkelt ihn.
    Graham steht auf, er ist ein wenig unsicher. Justin erinnert sich an sein erstes Bier. Er trank es auf einem Jagdausflug wie diesem. Seine Gelenke fühlten sich geölt an. Sein Kopf war warm und wolkig. Als er hustete, sah er Glühwürmchen am Rand seines Gesichtsfelds. Komisch, wie die Leute im Lauf der Zeit abgestumpft werden. Wie, solange sie jung sind, ein so schwacher Reiz ihr System so stark beeinflussen kann. Ein Bier kann einen zu einem hilflos kichernden Etwas machen. Ein kurzer Blick auf eine Unterwäschewerbung in der Zeitung kann einem eine Erektion verschaffen, die so steif ist, dass man meint, sie würde gleich platzen.
    »Da, schau ihn dir an.« Justins Vater meint damit zwar Graham, schaut aber Justin an. »Schau ihn dir an – ganz erwachsen. Das ist mein Junge.«
    Graham hat einen zarten Knochenbau, wie seine Mutter. Am dümmlichen Grinsen auf seinem Gesicht merkt Justin, dass er sich jetzt fühlt, wie Justin sich nach einem

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