Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)
kritisierte auch sie Richter Frenzens Naivität und »gefährliche Gutgläubigkeit«, jedoch strich sie an mehreren Stellen seine Hilfsbereitschaft und Courage lobend heraus. Mit ihm Essen zu gehen, lehnte sie aber weiterhin ab.
Robins Anwalt stellte einen Antrag auf Haftprüfung und sagte zu Hannes: »Ich habe fast das Gefühl, der will verurteilt werden. Wenn Sie sein Gesicht sehen könnten, dieses innere Leuchten. Wie ein Verdammter, der auf seine Erlösung zusteuert.«
»Dem wird das innere Leuchten noch vergehen«, prophezeite Hannes, aber wider Erwarten hielt sich Robin tapfer in der U-Haft.
Programmdirektor Thünken legte die Pläne für die Gerichtsshow vorläufig auf Eis und ließ verlauten, es sei offen, ob die Nachmittagsshow mit Johannes Frenzen nach der Sommerpause weiterginge.
Am Montag der folgenden Woche hatte Hannes seinen Auftritt bei Beckmann . Obwohl ihm nicht danach zumute war, mobilisierte er seinen ganzen Charme, setzte sein ehrlichstes Gesicht auf und beantwortete alle Fragen mit treuherziger Offenheit.
»Selten kommt es zu einer solchen Anhäufung von Schicksalsschlägen, wie bei Ihnen in diesen Tagen«, stellte der Profi-Talker mit belegter Stimme fest und sah ihm dabei tief in die Augen. »Zu allem Unglück wird eine gute Freundin von Ihnen seit über einer Woche vermißt. Sie ist von einer Wanderung nicht zurückgekehrt, und man befürchtet das Schlimmste. Wie verkraften Sie das alles, Herr Frenzen, hilft Ihnen da Ihre Verlobte?«
Hannes schüttelte betrübt den Kopf. »Nein. Leider hat meine Lebensgefährtin die Vorfälle zum Anlaß genommen, die Verlobung zu lösen.« Dabei flatterten seine Lider, als müsse er die Tränen wegblinzeln.
Nach diesem Auftritt schlug die allgemeine Häme um in Mitgefühl und Anteilnahme. Mit Ausnahme von Barbara, die die Sendung in einem schäbigen WG-Zimmer in Hamburgs Schanzenviertel verfolgt hatte und vor Wut laut aufschrie.
Thünken ließ Hannes wissen, daß die Gerichtsshow im Herbst planmäßig starten würde, und selbstverständlich würde auch seine Nachmittagsendung weiterlaufen.
»Sie fallen wohl immer auf die Füße«, seufzte Renate Pichelstein erleichtert. »Das ganze Schlamassel hat Sie eher noch beliebter gemacht. Zumindest kennt Sie jetzt jeder. Soll ich Ihnen die Post der Damen nach Hause schicken?«
»Welcher Damen?«
»Der Damen, die Sie gerne über den Verlust Ihrer Verlobten hinwegtrösten und deren Stelle einnehmen wollen.«
»Gott bewahre«, lehnte Hannes ab.
Am Mittwoch wurde Robin gegen eine Kaution von 30.000 Euro, die Hannes vorstreckte, bis zum Verhandlungstermin im September aus der Haft entlassen. Sein Anwalt sagte, das sei ein gutes Zeichen in Hinblick auf das spätere Urteil. Robin nutzte die Aufmerksamkeit der Presse und kündigte seinen neuen, großen Roman an, den er während der zehn Tage Haft zu schreiben begonnen hatte. Drei Verlage meldeten sich daraufhin und wollten das Exposé haben.
Gegen Klara von Rüblingen wurde wegen Beihilfe zu einer Straftat ermittelt, sie galt jedoch seit dem 17. April 2004 als vermißt. Polizei und Feuerwehr hatten den Harz mehrmals durchkämmt. Man fand ihren Wagen, aber keine Spur von ihr.
Ebenso spurlos verschwunden blieb Sharifa Zaimeh.
In der Nacht zum 1. Mai, einem Samstag, wurde Hannes plötzlich wach. Merlin, der Barbaras Platz im Bett eingenommen hatte, scharrte wie verrückt an der Schlafzimmertür und winselte dazu. Hannes sprang auf. Noch ehe er das Knistern und Knacken hörte, roch er das Feuer. Er rief Merlin zurück und öffnete die Schlafzimmertür. Hitze schlug ihm entgegen und Rauch, überall Rauch. Bläuliche Flammen nagten an den Stützbalken der Galerie und an der Treppe.
Hannes mahnte sich zur Ruhe. Als erstes telefonierte er nach der Feuerwehr. Der Feuerlöscher? Der hing unten, das war ungünstig. Er rannte ins Bad, ließ Wasser in die Wanne einlaufen und warf zwei Laken aus dem Schrank hinein. Eines wickelte er um sich, das andere um Merlin. Eile war geboten. Die Flammen hatten den unteren Teil der Treppe erobert, einzelne züngelten zwischen den offenen Stufen. Noch widerstand das Holz. Hannes nahm das schwere Tier auf die Arme. Der Qualm biß ihm in den Augen, er sah fast nichts mehr und hustete.
»Also dann los, alter Junge«, ächzte er und bewegte sich die Treppe hinunter. Mit tränenden Augen, angehaltenem Atem und seinem nassen Paket auf dem Arm ging es nicht besonders schnell, außerdem mußte er aufpassen, daß er in seinen glatten
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