Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)
Lederpantoffeln nicht stolperte. Auf den unteren Stufen spürte er die Hitze um die Fußknöchel, aber dann hatte er das Erdgeschoß erreicht. Im Flur qualmte der Läufer, doch der Weg zur Terrassentür war frei. Der Rauch brannte in der Lunge, als er Luft holte. Hustend erreichte er die Tür. Der Griff ließ sich nicht bewegen. Er setzte den zappelnden Merlin ab und versuchte es noch einmal. Die Tür war abgeschlossen.
Jetzt keine Panik. Er nahm Merlin wieder hoch, und rannte über den kokelnden Läufer auf die Haustür zu. Normalerweise ließ er den Schlüssel nachts innen stecken. Ansonsten schloß er nie etwas ab, nicht die Terrassentür und auch nicht die anderen Fenster. »Auf dem Land kommt nichts weg«, sagte er immer. Die Haustüre war abgeschlossen, der Schlüssel fehlte. Auch der Riegel am Küchenfenser ließ sich nicht umlegen. Schlagartig dämmerte es ihm: Man hatte ihn eingeschlossen. Ein Rumpeln aus dem Wohnbereich ließ ihn herumfahren. Ein paar Treppenstufen waren heruntergefallen, schwarze, qualmende Bretter. Stellenweise hatte das Feuer Löcher ins Bambusparkett gefressen, es glühte und qualmte. Dagegen brannten die Stützbalken der Galerie wie Scheite im Kamin. Bald würde die ganze Chose herunterkrachen. Hannes tastete sich durch den Rauch zurück zur Terrassentür. Er ergriff einen Stuhl und schlug damit gegen die Scheibe. Das Sicherheitsglas bekam davon noch nicht einmal einen Kratzer. Er ging zur Küche und riß den Feuerlöscher von der Wand. Seine Kehle brannte, ein schmerzhafter Husten schüttelte ihn, und der Sauerstoffmangel machte ihn schwindelig. Merlin jaulte und kratzte verzweifelt an der Terrassentür. Verdammt noch mal, wo blieb die Feuerwehr? Aber seit seinem Anruf waren bestimmt noch keine fünf Minuten vergangen. Was war mit Robin, hatte der den Brand überhaupt schon bemerkt? Noch während Hannes überlegte, ob er mit dem Feuerlöscher die Scheibe einschlagen oder erst das Feuer bekämpfen sollte, erschien vor dem Fenster, auf der Terrasse, im Schein der Flammen plötzlich eine Gestalt. Hannes hämmerte mit der Faust gegen die Tür. Merlin drehte sich panisch im Kreis und hechelte. Die Gestalt verschwand wieder. Hannes holte aus. Der Feuerlöscher brachte dem Glas immerhin einen Sprung bei. Aber es hielt. Hannes spürte, wie ihm die Luft wegblieb. Er wollte den Feuerlöscher noch einmal hochheben, aber er schaffte es nicht mehr. Er klappte zusammen, kauerte röchelnd auf dem Boden. Auf der Terrasse erschien wieder die Gestalt. Sie schien etwas sehr Schweres zu schleppen. Dann drehte sie sich einmal um die eigene Achse, es klirrte und etwas knallte auf den Boden. Ein Sog frischer Nachtluft ließ die Flammen im Inneren des Hauses fröhlich aufflackern und sorgte einen Moment lang für klare Sicht. Hannes konnte es nicht glauben: Vor ihm lag der Gargoyle am Boden. Die Figur wog über sechzig Kilo, sie hatte ein ordentliches Loch in die Glastür gerissen. Winzige Scherben lagen wie Hagelkörner auf dem Parkett.
»Los, raus mit euch!« hörte er Robins Stimme.
Merlin hüpfte als erster ins Freie. Hannes kroch durch das Loch hinterher.
Dann lagen sie auf dem frisch gemähten, feuchten Rasen. Durch die Fenster drang der Lichtschein des Feuers und erhellte den Garten. Der Garagenschuppen und das Gästehaus brannten offenbar schon länger, denn die Flammen schlugen bereits aus dem Dach.
Hannes lag auf dem Bauch und drückte seine heißen Wangen in das kühle, feuchte Gras. Er hatte noch immer das Laken um, das fast gar nicht mehr naß war. Darunter trug er nur eine Unterhose.
Merlin soff aus der Regentonne.
Aus dem Inneren des Schuppens hörte man den Knall einer Explosion.
»Das war wohl der Mercedes«, sagte Robin traurig.
»Ein Bier wär jetzt nicht schlecht«, krächzte Hannes und hustete.
Feuerwehrsirenen näherten sich. Der Wolf hörte auf zu saufen, spitzte die Ohren und stimmte in das Geheul mit ein.
Am Morgen nach dem Brand klingelte das Telefon in Klaras Wohnung, wo Hannes sich fürs erste einquartiert hatte. Er schleppte sich an den Apparat.
»Ich hab’s gehört. Wie geht es dir?«
»Mein Hals fühlt sich an, als hätte ich einen Kaktus verschluckt. Woher hast du die Nummer?«
»Ich bin Staatsanwältin, ich kriege alles raus, wenn ich will. Wenn du Asyl brauchst, ich …«
»Danke, ich bin hier gut untergekommen. Ich hab ja nun nicht mehr viel Krempel«, stellte er fest. »Eigentlich nur noch eine Unterhose.«
Während er mit Sabrina Reinecke redete, sah
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