Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)
mich, wofür soll ich das tun? Was habe ich davon?«
Hannes sah sie an. Ihr Gesicht hatte einen Ausdruck angenommen, den er noch nicht kannte.
»Schade«, sagte er.
»Was ist schade?«
»Schade, daß es soweit gekommen ist. Heute morgen stand ich vor deinem Bett und dachte, wenn sie aufwacht, fragst du sie, ob sie dich heiraten möchte.«
Für ein paar Augenblicke war es ruhig im Zimmer.
»Und warum hast du nicht gefragt?«
Hannes lächelte ihr zu. »Du bist nicht aufgewacht. Und ich hatte Zweifel, ob das nicht zu nüchtern sei, ob ich nicht erst Ringe besorgen und ein Wochenende in einem romantischen Hotel buchen sollte. Naja, das war’s dann mit der Romantik«, sagte er traurig.
Barbaras neue Selbstsicherheit schien einen Knacks bekommen zu haben, ihre Pupillen wanderten unruhig hin und her. Gerade noch mal die Kurve gekriegt, dachte Hannes, da stand sie auf und sagte: »Du hast wirklich was gelernt, Hannes. Aus dir ist ein echter Schauspieler geworden.«
»Es ist wahr, Barbara. Und es ist noch immer mein Ernst. Wenn du möchtest, dann heiraten wir im Sommer. Mit weißem Kleid und Kirche und Presse und einem Besäufnis für’s ganze Dorf. Das ganze Hardcore-Programm.«
Barbara war aufgestanden. »Wenn ich möchte. Na, toll! Denkst du, ich will mein Leben lang das Gefühl haben, daß du mich nur heiratest, damit ich den Mund halte? Wahrscheinlich kommst du dir dabei auch noch wie ein Märtyrer vor. Hier hast du meine Antwort: Nein, danke!« Die letzten Worte sagte sie sehr laut. Ihre Wangen und ihr Hals hatten rote Flecken bekommen.
»Daran habe ich nie gedacht«, widersprach Hannes. »Ich dachte, du schweigst mir zuliebe. Und wegen Robin.«
»Nichts gegen Liebe, und Robin ist ein netter Kerl, aber ich muß mich auch um meine Zukunft kümmern.«
»Wenn du nicht heiraten willst, was willst du denn dann, verdammt noch mal?« Hannes war nervös und ebenfalls laut geworden.
»Du denkst wohl, für mich gibt es keine Zukunft ohne dich, was?« Hannes drehte sich auf seinem Stuhl erstaunt nach ihr um. Sie stand am Fenster im Gegenlicht, das Gesicht im Schatten.
»Nein, das denke ich nicht«, sagte er mit fester Stimme. »Ich bin nur anscheinend von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Entschuldige, wenn das auf dich machomäßig gewirkt hat.« Er wiederholte seine Frage: »Also, was willst du?«
»Ich will, daß du mir einen Job beim Fernsehen besorgst.«
»Was für einen Job beim Fernsehen?«
»Eine kleine Rolle. Eine Moderation. Einen Anfang.«
»Du willst Fernsehschauspielerin werden?« fragte Hannes ungläubig.
»Was ist daran so abwegig? Ich sehe gut aus, und ich bin noch nicht zu alt. Ich weiß, daß ich es schaffen kann. Ich werde mindestens so berühmt wie du. Ich brauche nur ein bißchen Vitamin B für den Start. Das hattest du schließlich auch.«
»Barbara, ich bin weder Produzent noch Programmdirektor und auch kein Casting-Chef. Und ich bin auch nicht Dieter Bohlen!«
»Die Reinecke hast du auch in deine Show gebracht.«
»Weil dafür Juristen gesucht wurden. Was willst du denn in meiner Show? Die ist kein Karrieresprungbrett. Noch keiner unserer Laiendarsteller hat es danach zum Star gebracht.«
»Ich will nicht in deine Show, ich möchte eine feste Rolle in einer Serie. Es ist mir scheißegal, wie du das anstellst.«
Hannes stand jetzt ebenfalls auf. »Nein, so läuft das nicht. Nicht mit Erpressung, nicht mit mir! Du kannst von mir aus der Polizei erzählen, was du willst. Ich werde dich als rachsüchtige Exgeliebte hinstellen, und kein Staatsanwalt wird dir ein Wort glauben. Du machst dich lächerlich, und ich würde dich wegen Rufmord in Grund und Boden klagen. Du kannst nichts beweisen. Es gibt keine Leiche.«
»Das stimmt nicht ganz«, sagte Barbara und ihre Stimme war auf einmal eisig.
»Wie meinst du das?«
Man konnte sehen, wie sie ihren ganzen Mut zusammennahm, ehe sie sagte. »Ich bin in der Nacht von Donnerstag auf Freitag in den Keller gegangen und habe Fotos von der Leiche gemacht.«
Hannes sah sie ungläubig an. »Ausgerechnet du?«
»Ich habe die Bilder von der Kamera auf den PC überspielt. Sie liegen unter anderem mit dem entsprechenden Begleittext im Ausgangspostfach meiner E-Mail. Wenn du mich unter Druck setzt, geht die Mail in ein paar Tagen samt Anhang an die Presse und die Staatsanwaltschaft. Automatisch. Falls mir was zustößt«, fügte sie hinzu.
Hannes starrte sie an. Die ängstliche Barbara schlich nachts in den Keller und fotografierte die
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