Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

Titel: Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
halbgarem Essen aus der Mikrowelle.
    Von dem Fahrer des Mustangs war nichts zu sehen.
    »Professor«, sagte Milo.
    Seacrests Augen waren groß, braun, kindlich, ein wenig
dunkler als die seiner toten Frau. »Was kann ich für Sie tun, Mr. Sturgis?«
    »Wir stören doch hoffentlich nicht, Sir?«
    Das »wir« lenkte seine Aufmerksamkeit kurz auf mich, aber eben nur kurz.
    »Nein.«
    »Dürfen wir reinkommen?«
    Seacrest zögerte eine Sekunde. »Meinetwegen.« Das sagte er lauter - um den anderen Mann zu warnen? Er verharrte kurz, dann trat er zur Seite.
    Kein Blickkontakt. Auch mir fiel die ausweichende Art auf, die Milos Verdacht geweckt hatte.
    Dann sah er uns an. Aber in diesem Blick lag etwas Kaltes. Vielleicht, weil er nicht gerne so überrascht wurde. Oder vielleicht, weil er von Anfang an als Verdächtiger behandelt worden war.
    Vielleicht hatte er das verdient.
    Er blieb in der Diele stehen, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und berührte seinen Adamsapfel. Dann warf er einen Blick nach hinten zur Treppe. War der kleinere Mann dort oben?
    Milo trat näher, und Seacrest wich einen Schritt zurück.
    »Also, was kann ich für Sie tun?«
    »Ich wollte nur mal vorbeischauen«, sagte Milo.
    »Keinerlei Fortschritte?«
    »Leider nein, Sir.«
    Seacrest nickte, als ob er damit gerechnet hätte.
    Von oben waren Schritte zu hören.
    »Einer von Hopes Studenten«, sagte Seacrest und befingerte dabei seinen Bart. »Er holt Forschungsmaterial ab, das Hope hinterlassen hat. Ich habe mich endlich überwinden können, ihre Sachen durchzusehen und zu ordnen, nachdem die Polizei sie durcheinandergebracht hatte. Die ersten
beiden Detectives haben einfach alles durchgewühlt. Einen Moment bitte.«
    Er ging ein paar Stufen hinauf. »Sind Sie bald fertig?«, rief er. »Die Polizei ist hier.«
    Eine Stimme antwortete von oben. Seacrest kam langsam wieder herunter, wie eine widerwillige Braut.
    »Forschungsmaterial«, sagte Milo. »Gehört das dem Studenten?«
    »Die beiden haben zusammengearbeitet. Bei Doktoranden ist das üblich.«
    Ich fragte: »Wie viele Doktorarbeiten hat sie betreut?«
    »Nicht viele, glaube ich.«
    »Hatte sie vielleicht wegen des Buches zu wenig Zeit?«, fragte Milo.
    »Ja, vermutlich. Aber es lag auch daran, dass Hope eine besondere Arbeitsweise hatte.« Seacrest schielte zur Treppe. »Sie war … Hope war nicht sonderlich … ordentlich.Was nicht heißen soll, dass sie keinen glasklaren Verstand gehabt hätte. Den hatte sie. Ganz außergewöhnlich. Eines ihrer vielen Talente.Vielleicht lag es gerade daran.«
    »Was lag woran, Sir?«
    Seacrest deutete auf die Treppe, als stünde er vor einer Tafel. »Ich meine, ich habe mich immer gefragt, ob sie vielleicht deshalb in einer solchen Unordnung arbeiten konnte, weil sie innerlich so ordentlich war - so wunderbar organisiert - und einfach keine äußerliche Ordnung brauchte. Sie konnte beim Arbeiten das Radio laufen lassen oder den Fernseher. Ich fand das unglaublich. Ich brauche absolute Ruhe.«
    Er schniefte. »Sie war viel klüger als ich.« Seine Augen wurden feucht.
    »Heute Abend geht es ja nicht sehr ruhig zu bei Ihnen«, sagte Milo.
    Seacrest versuchte zu lächeln. Sein Mund verweigerte den
Dienst, und das Ergebnis war ein ausgesprochen ambivalentes Mienenspiel.
    »Es gibt also nichts Neues«, sagte er. »Ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas Neues erzählen. Aber Wahnsinn bleibt Wahnsinn. So banal ist das.«
    »Ich komme«, sagte eine Stimme von oben.
    Der kleinere Mann kam die Treppe herunter, einen Pappkarton vor sich hertragend.
    Er war Mitte zwanzig, hatte langes, dunkles, glatt nach hinten gekämmtes Haar, ein kantiges Gesicht, volle Lippen, hohle Wangen, glatte Haut und buschige schwarze Augenbrauen. Der lange Mantel erwies sich als abgetragener Ledertrenchcoat. Er trug schwarze Stiefel mit dicken Sohlen und schweren Metallbeschlägen.
    Er blinzelte. Lange, schön geschwungene Wimpern über dunkelblauen Augen. Oben, wo die Schlafzimmer waren. Ich dachte daran, dass Seacrests Ruf ihn vielleicht hatte warnen sollen, und überlegte, ob die Unterlagen tatsächlich der wahre Grund für sein Kommen waren.
    Er hatte Hopes Wagen gefahren... eine ungewöhnliche Vertraulichkeit für irgendeinen Studenten. Aber für einen neuen Freund …
    Ich sah zu Milo hinüber. Er hatte sich nicht gerührt.
    Der junge Mann war unten angekommen und hielt den Karton vor sich wie ein Geschenk. Auf einer Seite stand mit schwarzem Filzstift in Druckschrift geschrieben:

Weitere Kostenlose Bücher