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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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kommen«, sagte ich. »Ein wenig frische Luft täte mir gut.«
    Die Unmittelbarkeit des Ganzen verwirrte mich, meine normalen Abläufe gerieten völlig durcheinander. Ich hatte seit Tagen kaum geschlafen und nichts Richtiges gegessen. Die Nacht zuvor war ich früh ins Bett gegangen, aber nach ein paar unruhigen Stunden wieder aufgestanden und hatte dann bis vier Uhr ferngesehen. Dann hatte ich mich noch einmal schlafen gelegt und war erst wieder um zehn vor elf aufgewacht. Ich fühlte mich hilflos, als hätte ich weder Plan noch Ziel, fütterte die Katze – die keinerlei Interesse zeigte – und machte mir einen Toast, den ich nicht aß. Dann beschloss ich, mich zusammenzureißen und Moms Begräbnis zu planen.
    Als der Tag schließlich zur Neige ging, fuhr ich ins kleine Einkaufszentrum am Stadtrand, einem asphaltierten Gehweg mit Geschäften an beiden Seiten und einem Co-op am Ende, in dem ich meistens für Mom eingekauft hatte, wenn ich von der Arbeit kam. Zu meiner Überraschung befand sich gleich daneben das Beerdigungsinstitut Cooperative Funeralcare, das mir noch nie aufgefallen war, obwohl es vermutlich schon jahrelang dort seinen Sitz hatte.
    Ich war früh dran und blieb einen Augenblick davor stehen und sah mir die Grabsteine im Schaufenster an. Die meisten Skulpturen stellten die Jungfrau Maria dar, die einladend ihre Hände ausstreckte, oder Jesus, der auf sein Herz deutete, oder einen traurig dreinblickenden Engel. Am Ende der Reihe stand ein einfacher Grabstein aus rotem Granit, auf dem in hellen Goldlettern nur die Worte »In liebendem Gedenken« standen. Und nicht, wie ich erwartet hatte, die Aufschrift »Name des Verstorbenen«.
    Ich ging hinein.
    »Miss Hayer?« Die Frau hinter dem Empfangstresen trug eine schlichte weiße Bluse und dazu einen dunkelgrauen Rock. Ihre kurzen, blondierten Haare hatte sie ordentlich hinter die Ohren gekämmt, in einem Ohrläppchen steckte ein Diamant. Sie sah mich aus mitfühlenden blauen Augen an und legte den Kopf schief.
    Ich heule schon nicht, hätte ich am liebsten gesagt. Machen Sie sich keine Sorgen, ich breche nicht zusammen.
    »Ja«, sagte ich und streckte ihr meine Hand entgegen. »Sie müssen Jackie sein.«
    Sie führte mich ins Büro nebenan, das wie ein Wohnzimmer eingerichtet war, mit bequemen, geraden Sofas, einem Couchtisch, auf dem neben einer Taschentuchbox verschiedene Ledermappen lagen. An der Wand hing ein großes, gerahmtes Bild, auf dem ein in Nebel gehüllter Wald zu sehen war. Eine große, stämmige Grünpflanze thronte in einer Ecke. Das Fenster ging nach hinten zum Parkplatz hinaus, auf dem Menschen mit ihren Einkäufen kamen und gingen.
    Jackie zählte mir die verschiedenen Möglichkeiten der Abwicklung eines Begräbnisses auf. Sie könne alles für mich erledigen, sagte sie, vom Sarg bis zum Transport der Verstorbenen sowie der Planung des Gottesdienstes in Zusammenarbeit mit dem Krematorium oder der Kirche meiner Wahl. Oder, falls es mir lieber wäre und wie es heutzutage Mode war, sie könnte auch eine wirklich schöne weltliche Trauerfeier oder ein ökologisches Begräbnis in einem Wald organisieren, der extra diesem Zweck diente. Und das alles zu einem Pauschalpreis, eventuell mit zinsfreier Ratenzahlung, falls erwünscht.
    Ich wollte einfach nur unterschreiben und es hinter mich bringen. Sie sah zur Uhr, die über meinem Kopf an der Wand hing, und sagte, es könne nicht schaden, ein wenig darüber nachzudenken. Ich könne morgen wiederkommen, falls ich bis dahin eine Entscheidung getroffen hätte. Sie drückte mir eine Broschüre mit verschiedenen Sargmodellen in unterschiedlichen Holzarten und noch einen Packen anderer Unterlagen in die Hand.
    Als ich wieder hinaustrat, war es kühler und schon fast dunkel. Die meisten Geschäfte schlossen gerade. Ich blieb einen Augenblick verwirrt stehen und überlegte, was mit dem Tag passiert war.
    »Alles in Ordnung?«
    Ich sah mich erstaunt um. Ein Mann stand neben mir. Er war groß, trug eine braune Jacke und einen Schal um den Hals, und war trotz seines rasierten Kopfes wohl jünger, als er aussah. Er lächelte nicht, schien mich aber dennoch von irgendwoher zu kennen.
    »Ja«, sagte ich. »Alles in Ordnung.«
    »Sehr schön«, sagte er.
    Er blieb einen Moment neben mir stehen. Kannte ich ihn? Ich hatte das Gefühl, ich müsste seinen Namen kennen, und ging versuchweise ein paar im Kopf durch. Ian? Nein, das war es nicht … Dave? Simon? Wenn mir Menschen plötzlich irgendwie bekannt vorkamen,

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