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Wofuer es sich zu sterben lohnt

Titel: Wofuer es sich zu sterben lohnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Nilsonne
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sich schämen müssen, doch der zuckte nur leicht mit den Schultern.
    »Und was geht mich das an?«
    Langsam zog er seinen Reißverschluss hoch und drehte sich dann ebenso langsam um.
    Robert stellte fest, dass das Adrenalin ihm Kraft gegeben hatte, aber keine Worte.
    »Du verdammtes Schwein … du hast …«
    Er konnte es nicht sagen. Also machte er weiter mit dem, was sich sagen ließ:
    »Und war sie nüchtern? Wollte sie das so?«
    Die Antwort kam lässig, gleichgültig: »Mädchen müssen immer was trinken, damit sie ihre Hemmungen verlieren.«
    »Hast du dir schon mal überlegt, dass vielleicht nicht die Hemmungen verschwinden, sondern ihr Selbsterhal tungstrieb?«
    »Ein bisschen Sex hat doch noch keinem Menschen ge schadet, Scheiße, was bist du eigentlich, Pastor oder was?« Und dann fügte er hinzu: »Wenn ihnen irgendetwas scha det, dann, dass ihr Eltern ihnen ein verzerrtes Bild von Sex und dem Körper und diesem ganzen Kram vermittelt.«
    Und dann drehte er sich um. Er hatte die Herrschaft über dieses Gespräch, er entschied, wann es zu Ende war. Und jetzt hatte er die Sache satt.
    Doch ohne irgendeinen bewussten Entschluss zu fassen, hob Robert die rechte Hand, die noch immer den Griff des Brotmessers hielt. Er hob den Arm, drehte das Messer so, dass er damit zustechen konnte, und bohrte es, so hart er konnte, in den Rücken des Jungen. Das tat er für Matilda, für seine eigene geschändete Ehre, weil Argumente nicht weiterhalfen.
    Die Messerklinge durchschnitt Pullover, Hemd, Haut und eine dicke Muskelschicht, ehe auf die Knochen auf traf und haften blieb.
    Er ließ mit einem Ruck das Messer los. Sein Handgelenk knackte ein wenig dabei.
    Zuerst begriff er nicht, was er getan hatte, nicht zuletzt, weil die erwarteten Toneffekte ausblieben.
    Der Junge sagte nichts. Er schrie nicht, er hustete nicht, nichts. Vielleicht war er nicht getroffen worden, nicht rich tig. Aber doch, denn nun drehte er sich mit überraschtem Gesicht um.
    »Aber was zum Teufel …«
    Und dann zog er seine rechte Hand zurück, zielte für ei nen Moment und streckte Robert dann mit einem perfekt platzierten Schlag zu Boden.
     
    Robert wusste nicht genau, wo oben war und wo unten. Zuerst hatte er das Gefühl, schwerelos in einer angeneh men Dunkelheit zu schweben. Er wäre gern dort geblieben, um einfach nur zu existieren, statt auf seine Umgebung Rücksicht nehmen zu müssen, aber die Umgebung ließ sich nicht beiseiteschieben. Unter ihm war sie hart, das konn te daher kommen, dass er auf dem Rücken lag. Über ihm war es hell - konnten das die Lampen in einem Operati onssaal sein, oder sogar der Sommerhimmel, dessen Licht durch seine geschlossenen Augenlider drang?
    Es war kein Operationssaal, das, worauf er lag, war nicht gleichmäßig genug. Etwas, das sich wie ein Stein anfühlte, bohrte sich von unten in seinen linken Oberschenkel.
    Dann kam der Schmerz. Sein Kopf dröhnte, sein Ober kiefer tat weh, seine Augäpfel taten weh, seine Zähne taten weh. Auch sein Oberschenkel tat weh, und sein Rücken und seine rechte Hand.
    Zum Schluss kam die Erinnerung.
    Er war dem Jungen vom Foto ins Dickicht gefolgt. Er hat te das Messer mitgenommen. Er hatte es dem Jungen in den Rücken gerammt.
    Das Ganze kam ihm unwahrscheinlich vor. Er hatte doch niemanden erstechen wollen, egal, wie sehr der das ver dient hatte? Und warum tat ihm alles so weh? Warum lag er offenbar der Länge nach in der Natur?
    Er hob ein wenig das Bein, was den Schmerz im Ober schenkel verringerte, aber die Bewegung löste einen Schau er von Sternen und einen reißenden, bohrenden Schmerz im Kopf aus.
    Da wartete er lieber noch.
    Er keuchte ein wenig vor Anstrengung und Schmerz.
    Die Erinnerung wurde jetzt ein wenig deutlicher. Er hatte wirklich den Arm gehoben, das Messer fester gepackt und die Spitze in den Rücken des Jungen gebohrt. Ihm fiel ein, wie überrascht er gewesen war, weil ein Menschenkörper so hart sein konnte. Er hatte das Gefühl gehabt, das Messer in eine Holzscheibe zu stoßen. Die nächste Überraschung war gewesen, dass der Junge nicht zusammengebrochen war, nicht vor Schmerz geschrien hatte.
    Er sah es wieder, diesmal in Zeitlupe.
    Der Junge hatte seinen Oberkörper gedreht, hatte sich über die Schulter umgeschaut und sich dann auf dem ei nen Fuß wie ein Tänzer oder Boxer umgedreht. Sein Ge sicht hatte nur Wut und Verachtung gezeigt.
    Wut und Verachtung! Unbegreiflich!
    Und was war danach passiert? Darüber wollte sein Ge dächtnis keinen

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