Wofür stehst Du?
welche Fischarten von Überfischung bedroht sind und welche nicht. Aber als ich dann abends auf dem Markt stehe, um einzukaufen, habe ich die Liste natürlich im Büro liegen lassen und weiß nicht aus dem Kopf, ob nun der Rote oder der Blauflossen-Thunfisch der durch Fischfangflotten mehr Gefährdete ist. Oder beide.
Dann iss eben keinen Fisch!, würde ein Vegetarier sagen. Aber ich bin kein Vegetarier.
Ich bin manchmal ratlos. Nur will ich es bei der Ratlosigkeit nicht belassen. Deshalb bin ich vor Jahren in einen Schlachthof gegangen und habe beim Töten und Zerlegen der Tiere zugesehen. Ich bin der Meinung, dass mansich das zumuten sollte, wenn man sich von Fleisch und Wurst ernährt, und dass man auch etwas über Tierhaltung wissen sollte. Ich versuche seitdem, kein Fleisch und keine Wurst von Tieren zu essen, die nicht artgerecht leben konnten. Das reduziert den Fleischkonsum automatisch, schon aus Kostengründen, denn dieses Fleisch und diese Wurst sind teurer und nicht überall ganz so bequem erhältlich. Aber deswegen tue ich es nicht, sondern weil ich möglichst wenig zu der im Wortsinn viehischen Art und Weise beitragen möchte, in der Tiere heute gehalten, gemästet und getötet werden.
Übrigens sind, habe ich dann doch noch herausgefunden, Roter und Blauflossen-Thunfisch dasselbe, es sind nur unterschiedliche Namen für einen Fisch, der von Ausrottung bedroht ist. Und den man nicht retten wird, indem wir in Deutschland ihn nicht mehr essen. Denn die weitaus größten Mengen davon werden in Japan verzehrt, aber von europäischen Flotten gefangen. Denen müsste man ihr Geschäft komplett verbieten, bloß tut das keiner, und wenn es doch Verbote gibt, fehlt es an wirksamen Kontrollen. Mit dem Thunfischfang wird viel Geld verdient, jedenfalls solange es den Thunfisch noch gibt (also wohl nicht mehr sehr lange).
Es gibt also Probleme, die auch mit persönlichem Fischverzicht nicht zu lösen sind, sondern nur – mit Politik.
Was dabei sehr hilft: Wer sich informieren will, kann das in Deutschland so umfassend und auch seriös wie in kaum einem anderen Land der Welt tun. Keine Kleinigkeit, eigentlich auch schon ein Wert an sich.
Was die Familien vieler meiner Freunde und Bekannten so wurzellos, ja armselig erscheinen lässt: Die meisten ihrer Geschichten und Erinnerungen enden im Zweiten Weltkrieg, an der Mauer des Schweigens, die da gezogen wurde. Die Angst, hinter dieser Mauer Verstörendes zu finden, ist auf lange Sicht aber bedrückender als die Erschütterung über die Dinge, die man möglicherweise entdecken würde, wenn man nur nach ihnen fahndete. »Das Vergangene ist nicht tot«, so beginnt der Roman Kindheitsmuster von Christa Wolf, die dabei wiederum den amerikanischen Literatur-Nobelpreisträger William Faulkner zitiert, »es ist nicht einmal vergangen. Wir trennen es von uns ab und stellen uns fremd.«
In der Kindheit und Jugend verbrachte ich viel Zeit mit zwei sehr starken, sehr alten Frauen, die meine Großtanten waren. Sie lebten in Florenz und hatten manchmal ein schwieriges Verhältnis zueinander. Die Älteste, Donn’Anna, wurde fast 103 Jahre alt, sie starb in den Siebzigerjahren und galt als ebenso gutmütig wie eigenwillig. Sie mochte die Jagd nicht, weil ihr Vater durch einen Jagdunfall ums Leben gekommen war, als sie gerade mal vier Jahre alt war. Aber ihr Mann, den sie um mehr als 30 Jahre überlebte, war ein passionierter Jäger, der auf der Familiendomäne auch gerne Vögel schoss oder in Netzen fing. Eines Abends tischte Donn’Anna ihrem Mann köstlich gebratenes Geflügel auf. Er wollte sie dafür gerade loben, als ihm bewusst wurde, was er da auf dem Teller hatte – und er vor Entsetzen aufschrie: Meine Tante hatte kurzerhand seine Lockvögel in die Pfanne gehauen.(Bis zuletzt hielt Donn’Anna, die nicht so viel von Psychologie verstand wie später ihre Tochter und ihre Enkelin, die beide Psychoanalytikerinnen wurden, an der Version fest, dass dies ein tragisches Versehen gewesen sei.)
Donn’Anna war eine Gräfin; sie heiratete standesgemäß einen Grafen, dessen Familie in einem jahrhundertealten Palazzo direkt am Hauptplatz eines größeren Dorfes in den Marken residierte. Dort verbrachte sie die Sommermonate, und dort spielte ich als Kind oft mit meinen Cousins. Am aufregendsten war es für uns im ehemaligen Ballsaal, an dessen Wänden zwei Dutzend Bilder von Ahnen hingen, die alle mit der gleichen spitzen Nase porträtiert worden waren, was wir bestaunten wie
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