Woge der Begierde
habe?«
Daphne schlang ihm die Arme um den Hals und drückte ihn. »Oh, lieber, lieber Charles. Das hast du allerdings.« Sie lehnte sich etwas nach hinten und sah ihm ins Gesicht, als sie sagte: »Deine Cousins, die sind so nett. Ich hatte solche Sorge, dass sie mich wegen der Umstände unserer Heirat nicht billigen würden und verächtlich behandeln wegen unseres niedrigeren Standes, aber sie haben uns willkommen geheißen und mit offenen Armen aufgenommen, zeigen uns nichts als Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Nells Vorschlag mit dem Ball für April ist mehr, als ich je zu träumen wagte. Und Marcus’ und Julians Angebot, Adrian zu helfen …« Freudentränen schnürten ihr die Kehle zu. Als sie sich wieder in der Gewalt hatte, erklärte sie, ohne gemerkt zu haben, welchen Schlag sie ihrem Mann eben versetzt hatte: »Alles ist einfach wundervoll, nicht wahr?«
»Wundervoll«, pflichtete Charles ihr bei, allerdings eher freudlos, während er sich innerlich einen Narren schalt. Natürlich waren es Aprils und Adrians Bedürfnisse, die für sie an erster Stelle kamen. Wie hatte er das nur vergessen können? Er behielt seine Gedanken jedoch für sich und brachte sie zu den anderen zurück.
Nach einem leichten Imbiss zur Mittagszeit begaben sich die Damen in den vorderen Salon, wo bald schon Daphne und Nell wieder einträchtig zusammensaßen und über Aprils Einführung in die gute Gesellschaft im nächsten Jahr sprachen. Die Gentlemen, sich selbst überlassen, teilten sich auf, Adrian ging mit Marcus zum Pferdestall, um mit ihm die Vorzüge der verschiedenen Pferde zu diskutieren, die Sir Huxley besessen hatte, und Julian zog sich in seine Zimmer zurück, um wichtige Korrespondenz zu erledigen, die sich wegen seines verlängerten Aufenthaltes auf Beaumont
Place angehäuft hatte. So kam es, dass Charles Gelegenheit hatte, sich ungestört mit seinem drängendsten Problem zu befassen. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass die Gäste versorgt waren, ging Charles zur Bibliothek, um ein wenig in der Beaumont-Familiengeschichte zu stöbern.
Er kam in die Bibliothek, läutete nach Goodson und sobald der Butler erschien, fragte Charles ihn: »Was können Sie mir über das Zimmer erzählen, das Mrs. Weston als ihr Schlafzimmer benutzt?«
Goodson zuckte die Achseln, dann erklärte er: »Oh, nur dass es bis zur Zeit von Sir Huxleys Eltern von den Herren des Hauses bewohnt wurde, zusammen mit dem Salon und dem Zimmer, das Ihnen zur Verfügung steht.«
»Haben Sie jemals davon gehört, dass noch ein weiteres Zimmer einmal dazugehört haben könnte? Vielleicht ein kleines Ankleidezimmer, das sich an Mrs. Westons Raum anschloss?«
Goodson runzelte die Stirn. »Nein, davon weiß ich nichts. Ich kann Mrs. Hutton fragen, aber ich bezweifle, dass sie mehr weiß als ich. Gibt es ein Problem?«
Charles schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin nur neugierig wegen des Hauses. Wissen Sie, ob es so etwas wie Baupläne von Beaumont Place gibt? Besonders von Renovierungen und Umbauten.«
»Lady Agatha hat eine Reihe von Familiendokumenten zusammengetragen. Miss … äh, Mrs. Weston hatte kurz nach ihrer Ankunft begonnen, sie hier durchzusehen. Vielleicht ist da etwas darunter.«
»Wo werden sie aufbewahrt?«
Goodson schritt in einen Bereich der Bibliothek und zeigte auf mehrere Regale. »Meines Wissens ist dies die vollständige Sammlung. Nach ihrem Tod hat niemand ihre
Arbeit fortgesetzt, sodass nichts in den letzten dreißig Jahren hinzugekommen ist, aber davor, das werden Sie selbst feststellen, ist die Sammlung beeindruckend.«
Charles entließ den Butler und betrachtete die Regale. Ein rasches Überfliegen brachte ihm die Erkenntnis - wie Daphne vor ihm -, dass Lady Agatha sehr gründlich bei ihrer Suche gewesen war. Zu Charles’ Erleichterung waren die einzelnen Schriften nach Jahren geordnet, sodass er die Stelle fand, wo er mit seiner Suche anfangen musste. Obwohl Daphne und er nicht weiter darüber gesprochen hatten, waren sie beide überzeugt, dass der kleine Geist in ihrem Schlafzimmer und Sir Wesley irgendwie verbunden waren.
»Es ist einfach unmöglich, sich vorzustellen, dass wir zwei gespenstische Erscheinungen haben, die nichts miteinander zu tun haben, die sich einfach zufällig im selben Zeitraum zutragen«, hatte Daphne gestern Nacht noch gesagt, ehe sie eingeschlafen waren.
Wenigstens, dachte Charles, während er vorsichtig ein Bündel Papiere aus der Mitte des 16. Jahrhunderts durchblätterte,
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