Woge der Begierde
diese Schnitzereien.«
Charles ging näher heran und betrachtete die geschnitzte Leiste. Vom Boden bis zur Decke erstreckte sich eine Reihe kunstvoll geschnitzter Rosen in immer dem gleichen Abstand. Er nahm an, dass, wenn sie mehr von der Wand freilegten, sie mehr von diesen Verzierungen an verschiedenen Stellen an der Zimmerwand entdecken würden.
»So, welche ist es?«, fragte Daphne und stellte sich neben ihn. »Eine davon muss ein Hebel sein, der die Tür öffnet.«
»Stimmt«, sagte er, streckte die Hand aus und drückte die Rosette vor ihm. Nichts geschah. Er sah wieder zu Daphne und zuckte die Achseln. »Und weiter zur nächsten.«
Die dritte, etwa in Hüfthöhe, die Charles anfasste, schien sich ein kleines bisschen zu bewegen. »Oh, vielleicht habe ich hier den Hebel«, erklärte er.
Nachdem sie vermutlich Jahrzehnte, vielleicht auch Jahrhunderte nicht betätigt worden war, erwies sich die Rosette als stur, aber nicht sturer als Charles und Daphne. Sie kämpften mehrere Minuten lang damit, dann drehte Charles noch einmal mit aller Kraft die Schnitzerei, und mit einem widerwilligen Knirschen und Knarren öffnete sich die Holztäfelung tatsächlich, Zoll für Zoll, und gab den Blick frei auf eine schwarze Türöffnung.
Ihr Herz klopfte wie im Trommelwirbel, während Daphne auf die Öffnung in der Wand starrte. Es war eindeutig eine geheime Tür, und sie war eindeutig sehr alt, reichte sicher zurück in Sir Wesleys Zeit und davor. Sie wusste nicht, ob sie sich freuen sollte oder die Entdeckung sie störte.
Sie und Charles sahen einander an, dann wieder zur Tür.
Dahinter lag pechschwarze Finsternis, und ein unangenehm modriger Geruch strömte ins Zimmer. Charles zündete eine Kerze an und trat zur Türöffnung, Daphne immer dicht hinter ihm. Er hielt das Licht in das Dunkel.
»Himmel«, rief er, »da ist eine Treppe.«
»Oh, lass mich sehen!«
Daphne nahm Charles die Kerze ab, steckte den Kopf durch die Tür und schaute verwundert auf die Wendeltreppe. »Eine geheime Treppe«, hauchte sie. »Das also wollte sie uns zeigen.«
»So weit würde ich nicht gehen«, warnte Charles sie. »Aber lass uns erkunden, was wir da entdeckt haben.«
Daphne schluckte. »Du meinst, wir sollen die Treppe hinuntergehen? Jetzt gleich?«
Er grinste. »Habe ich dir nicht Abenteuer versprochen, meine Liebe?«
»Oh, aber Charles … was, wenn uns etwas zustößt? Niemand wird wissen, wo nach uns gesucht werden muss«, wandte sie ein, nicht entzückt von der Idee, eine geheime Treppe hinabzusteigen, die wer weiß wie lange verborgen gewesen war und irgendwo ins Nichts führte.
»Wenn wir nicht zum Essen erscheinen, wird jemand kommen und nach uns suchen. Sie werden das Loch sehen und annehmen, dass wir den Stufen gefolgt sind. Sie werden uns rasch finden.«
»Vermutlich am Fuße dieser grässlichen Treppe liegend, mit gebrochenem Genick«, verkündete sie düster.
»Angst?«, neckte er sie.
Daphne schob das Kinn vor, und ihre Augen blitzten angriffslustig. »Natürlich nicht«, sagte sie obenhin. »Ich habe nur versucht, mich wie ein Erwachsener zu verhalten und nicht wie ein verantwortungsloses Kind einfach loszustürzen.«
Er zuckte die Achseln. »Dann bleib hier. Ich gehe allein auf Erkundung.«
»Nur über meine Leiche«, stieß Daphne aus und hielt sich dicht hinter ihm, als er den Fuß auf die erste Stufe setzte.
Die Treppe war sehr steil und eng; Spinnweben hingen von Wänden und Decke. Wie die Stufen unter ihren Füßen waren die Mauern zu beiden Seiten aus dickem Stein, und manchmal musste Charles seinen Kopf einziehen, wenn die
Decke kaum sechs Fuß hoch war. Die Stufen führten nach unten und nach oben, und nach einer kurzen Auseinandersetzung einigten sie sich darauf, die Stufen nach oben zuerst zu erforschen. Während sie sich stolpernd vorantasteten, überlegten sie, dass die Treppe vermutlich aus der Zeit stammte, als Beaumont Place eine normannische Festung gewesen war. Sicherlich waren die Stufen sehr alt und seit Jahrzehnten unbenutzt.
Sie waren noch nicht weit gekommen, als sich zu ihrer Verwunderung die Treppe teilte, ein Teil führte weiter aufwärts, während der andere abwärts verlief und wieder ins Haus zurück. Das Gemäuer war hier anders, und der Gang mit den Stufen, der wieder ins Haus ging, schien ihrem ungeübten Auge später erbaut.
»Himmel, das hier ist einfach herrlich«, rief Charles mit vor Aufregung funkelnden Augen. »Ich wette, es gibt hier jede Menge Geheimgänge im
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