Woge der Begierde
Ziegensteig, wie Adrian sich beschwerte, der zum Strand führte, aber der schwierige Abstieg war die Mühe wert. Sie trugen ihre ältesten Kleider und saßen windgeschützt mit den Rücken zu den Felsen auf einer Decke auf dem Sand, wo sie das Festmahl genossen, das die Köchin ihnen eingepackt hatte. Während sie aßen, schauten sie fasziniert auf das Meer, das im hellen Sonnenschein glitzerte und glänzte, und die Wellen, die sich am Strand brachen. Später gingen sie ein Stück am felsigen Strand entlang, erkundeten die Gegend und plauderten angeregt dabei.
Sie verloren jegliches Zeitgefühl, während ihre Erkundung sie immer weiter den Strand entlangführte. Als sie an eine felsige Landzunge kamen, kletterten sie darüber. Auf
der anderen Seite angekommen, atemlos und lachend, blieben sie jäh stehen, als sie zwei Männer sahen, Fremde, unweit des Fußes der Klippen.
Von ihrer Kleidung her zu schließen war offenkundig, dass es sich bei den beiden nicht um Fischer handelte oder einfache Arbeiter. Ihre Miene verriet ebenso unverhohlen, dass sie nicht begeistert waren, sie zu entdecken. Mit der Unschuld eines freundlichen Welpen lächelte Adrian und ging zu ihnen. »Hallo«, sagte er. »Ich bin Sir Adrian Beaumont. Kann ich Ihnen vielleicht helfen? Haben Sie sich verlaufen?«
Der kleinere der beiden Männer betrachtete Adrian unfreundlich. »Nein«, entgegnete er knapp. »Aber offensichtlich haben Sie das. Es tut mir leid, Sie davon in Kenntnis setzen zu müssen« - und das sagte er mit so verächtlicher Stimme, dass Daphne sich die Haare im Nacken aufstellten -, »dass Sie unbefugt mein Land betreten haben.«
Adrian entging die Verachtung nicht, und sein Lächeln verschwand. »Sind Sie sicher?«, fragte er, entschlossen, höflich zu bleiben. »Soweit ich es verstanden habe, ist das hier alles Beaumont-Land.«
»Dann haben Sie es falsch verstanden«, erwiderte der Mann scharf; seine dunklen Augen waren hart. Er deutete auf die Felsen, über die sie eben gerade gestiegen waren. »Beaumont hört an diesen Felsen auf. Sie befinden sich auf meinem Land.«
Ohne sich um gutes Benehmen zu kümmern, stellte sich Daphne neben ihren Bruder. »Und wer sind Sie?«, fragte sie unverblümt, obwohl sie bereits ahnte, um wen es sich handeln musste.
Er musterte sie von Kopf bis Fuß, und Daphne wurde sich mit einem Mal peinlichst ihrer alten Kleider und ihres
windzerzausten Haares bewusst. »Sie müssen die Schwester sein, die alte Jungfer«, sagte er mit einem geringschätzigen Blick.
Daphnes Augen wurden schmal, und sie hob ihr Kinn. »Ja, ich bin seine Schwester, und aus Ihrer Unhöflichkeit und Arroganz muss ich schließen, dass Sie niemand anderer als Lord Trevillyan sind.«
»Da hat sie dich, Dorian«, sagte der andere Mann, ohne seine Belustigung zu verhehlen. Mit einem Grinsen fügte er hinzu: »Eindeutig ein Volltreffer.«
Daphnes Blick richtete sich auf den größeren der beiden Männer. Sie hob die Nase und fragte in ihrem hochmütigsten Ton: »Und wer sind Sie?«
Er lächelte ein besonders charmantes Lächeln, lüpfte seinen Hut mit der gebogenen Krempe und machte eine elegante Verbeugung. »Charles Weston. Zu Ihren Diensten.«
4
D aphnes erster Eindruck von Charles Weston war nicht schmeichelhaft, und sie nahm an, dass er ebenso unhöflich und von sich eingenommen war wie der Viscount - sicherlich war er niemand, den sie näher kennen lernen wollte. Er sah zwar recht gut aus, auf eine düstere, kühne Art und Weise, aber sein ungezwungenes Lächeln beeindruckte sie in keiner Weise, und seine wachsam blickenden grünen Augen halfen auch nicht, ihre ursprüngliche Einschätzung zum Besseren zu korrigieren. Aber er hatte etwas an sich … es lag in dem unartigen Kräuseln seiner vollen Lippen … Ein Prickeln erfasste sie, in ihr regte sich etwas, ein urtümlich weibliches Interesse an einem machtvollen Mann strich flüsternd durch sie. Im Geiste rief sie sich zur Ordnung. Unsinn. Solche Albernheiten lagen längst hinter ihr. Ihr einziges Interesse dieser Tage galt ihren Geschwistern.
Charles Weston mit einem kühlen Blick als nicht wichtig abtuend, wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Viscount zu. »Wir entschuldigen uns für unseren Fehler«, erklärte sie steif an Lord Trevillyan gerichtet. »Jetzt, da wir die Grenze zwischen den Besitzungen kennen, brauchen Sie nicht länger zu befürchten, dass wir je wieder einen Fuß auf Ihr Land setzen. Guten Tag.«
Mit einem königlichen Neigen ihres Kopfes
Weitere Kostenlose Bücher