Woge der Begierde
dann würden alle Verletzungen und Verstümmelungen dem Wasser zugeschrieben werden.«
Trevillyan schaute auf die wogenden Wellen und erschauerte. »Ein schreckliches Schicksal.«
»Aber nach dem, was Sie mir über den Zustand des Leichnams erzählt haben, nicht schlimmer als das, was das Opfer vor seinem Tod erleiden musste.«
Trevillyan konnte dem nicht widersprechen, und die beiden Männer machten sich mit ausholenden Schritten auf den Weg zurück zum Hauptweg, auf dem sie zu den Klippen gekommen waren. Der Tag verging, und ihnen blieben nur noch wenige Stunden Tageslicht für den mehrere Meilen langen Heimritt.
Sie hatten gerade erst den Strand verlassen, als eine verzweifelte Stimme hinter ihnen erklang.
»Lord Trevillyan, warten Sie. Bitte! Wir brauchen Ihre Hilfe«, rief Adrian, während er zu ihnen rannte. »Es geht um meine Schwester Daphne. Sie hat sich den Fuß eingeklemmt zwischen Felsen in der Höhle, die wir erkundet haben. April und ich können sie nicht befreien.«
»Ich sehe nicht, was ich Ihrer Meinung nach tun soll«, erwiderte Trevillyan. »Aber da ich ein gutes Herz habe«, sagte er zögernd, »halte ich auf meinem Weg nach Hause in Beaumont Place an und unterrichte Ihre Dienstboten von Ihrem Dilemma.« Er schenkte Adrian ein kühles Lächeln.
»Ich bin sicher, dass Ihre Leute auch ohne mich eine Rettung zustande bringen können.« Er kehrte Adrian den Rücken und ging weiter.
Adrians Gesicht verzerrte sich vor Wut, und er wollte sich auf Trevillyan stürzen, Mordlust im Blick. Charles versperrte ihm rasch den Weg und fasste ihn an der Schulter, wobei er leise sagte. »Lassen Sie es gut sein. Wir müssen jetzt an Ihre Schwester denken, nicht an Ihren Stolz.«
Adrian fest in die blauen Augen schauend, rief Charles: »Das ist ein ausgezeichneter Plan, Trevillyan. Inzwischen gehe ich mit Sir Adrian mit und sehe, ob ich mich nützlich machen kann.«
Trevillyan fuhr so jäh herum, dass er beinahe stolperte. »Sind Sie verrückt geworden?«, wollte er wissen. »In wenigen Stunden wird es dunkel sein.«
Charles beachtete ihn nicht weiter und fragte Adrian: »Wie weit ist es von hier?«
»Et-etwa zw-zwei Meilen den Strand hinab, hinter den Felsen«, stammelte Adrian.
»Gar nicht so weit«, sagte Charles mehr zu sich selbst. Er schaute wieder zu Trevillyan und fuhr fort: »Wir überlassen es Ihrer Kompetenz, dafür zu sorgen, dass Sir Adrians Leute Decken bringen und heiße Suppe sowie irgendetwas, aus dem man so etwas wie eine Trage machen kann, mit der die junge Dame nach Hause transportiert werden kann, falls das nötig sein sollte. Und beschreiben Sie bitte den Leuten auch, wo sie hinkommen sollen.« Als Trevillyan ihn weiter verdutzt anstarrte, fügte Charles noch hinzu: »Gehen Sie - es bleibt uns nicht mehr viel Zeit vor Einbruch der Dunkelheit.« Mit einem süßlichen Lächeln sagte er noch: »Machen Sie sich um mich keine Sorgen, Mylord. Ich bin sicher, dass Sir Adrian für mich eine Stelle finden wird, wo ich die
Nacht heute verbringen kann. Wir sehen uns dann morgen Vormittag irgendwann.«
Ohne auf eine Antwort zu warten, eine Hand fest auf Adrians Oberarm, schob Charles ihn von Trevillyan fort und zu den Felsen. Als er das Gefühl hatte, den Griff um den Arm des Jungen lockern zu können, tat er es.
»Hat sie sich verletzt?«, fragte er Adrian, als sie auf der anderen Seite die Felsen hinabkletterten.
Adrian schnitt eine Grimasse. »Ich glaube, sie hat sich nicht wirklich wehgetan, sondern ist vielmehr vor allem wütend, dass ihr so etwas Dummes passiert ist.«
»Dann neigt Ihre Schwester also zu Wutanfällen?«
»Manchmal«, erwiderte Adrian mit einem Lächeln. »Aber meistens ist Daffy ein feiner Kerl, und wenn sie wütend wird, dann gibt es meist auch einen guten Grund.«
»Daffy?«, fragte Charles mit belustigt funkelnden Augen.
Adrian grinste. »Daphne ist ihr richtiger Name, aber April und ich haben sie immer nur Daff oder Daffy genannt.«
»Dann ist April ihre jüngere Schwester?«
Dem jungen Mann fiel gar nicht auf, dass er geschickt abgelenkt und gleichzeitig ausgefragt wurde, sodass er bereitwillig antwortete. Angesichts von Trevillyans Gleichgültigkeit war Charles durch sein unerwartetes Hilfsangebot in Adrians Augen zu einem Helden aufgestiegen, und er erlag dem legendären Charme des Älteren widerstandslos. So plauderte er offen mit ihm, als seien sie alte Freunde. Als sie schließlich den Eingang zur Höhle und eine völlig aufgelöste April erreichten,
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