Woge der Begierde
wusste Charles eine Menge über den neuen Baronet, seine Familie und - was Charles besonders interessierte - Adrians älteste Schwester Daphne.
Als sie ihren Bruder näher kommen sah, verließ April
ihren Posten am Eingang der Höhle und warf sich ihm in die Arme. »Oh, Adrian! Ich bin ja so froh, dass du zurück bist.« Sie richtete einen sorgenvollen Blick zum Himmel. »Es wird dunkel, und ich habe solche Angst. Und die arme Daffy! Sie ist ganz allein da drin.« Sie verkniff sich ein Schluchzen. »Sie hat mich nach draußen geschickt, um nach dir Ausschau zu halten. Sie sagte, es ginge ihr gut und sie wolle nicht, dass ich bei ihr bleibe.«
»Das hat sie nur getan, weil sie weiß, dass du dich im Dunkeln fürchtest, du Dummerchen«, versetzte ihr Bruder ungeduldig. »Jetzt mach Platz. Mr. Weston ist hier, um uns zu helfen. Lord Trevillyan ist auf dem Weg zum Haus und schickt uns Diener mit Decken, Suppe und anderem.«
April schaute Charles aus bewundernd leuchtenden Augen an, verschränkte die Hände vor dem Busen und hauchte anbetend: »Sie sind unser Held, Sir. Wir sind Ihnen ja so dankbar.«
Charles lächelte sie an und merkte zum ersten Mal, wie hübsch sie war. Diese junge Dame, dachte er, wird in der guten Gesellschaft für Aufsehen sorgen, wenn sie ihr Debüt macht. Er zweifelte nicht daran, dass sie sich vorteilhaft verheiraten würde, vielleicht sogar in den Adel - Adrian hatte Charles in Daphnes Hoffnungen für ihre Schwester eingeweiht.
»Lassen Sie mich erst sehen, was hier los ist«, sagte er leichthin. »Sobald ich Ihre Schwester befreit habe, können Sie mich dann gerne ›Held‹ nennen.« Er schaute sich um und entdeckte das kleine Feuer, das sie angezündet hatten. »Warum sammeln Sie beide nicht mehr Treibholz für das Feuer? Ich bin sicher, Ihre Schwester wird durchgefroren sein, wenn wir sie aus der Höhle bringen, und ein Wärme spendendes Feuer wäre dann genau das Richtige.«
»Oh! Sie hat auch ein kleines Feuer in der Höhle. Nachdem Adrian weg war, hat sie mich Treibholz holen geschickt und einen brennenden Zweig von unserem Feuer hier draußen, um es anzuzünden«, erklärte April. »Aber wir werden mehr brauchen«, sagte sie mit Blick auf die niedrig stehende Sonne - »besonders da es dunkel sein wird, ehe jemand hier eintrifft. Ein großes Feuer wird dabei helfen, uns schneller zu finden. Ich fange sogleich an.«
»Ausgezeichnet!«, erwiderte Charles, dann duckte er sich hinter Adrian unter dem niedrigen Felsvorsprung am Eingang der Höhle ins Innere und suchte sich vorsichtig seinen Weg.
Die Höhle war riesig, und bis auf den flackernden Feuerschein in einiger Entfernung war es stockfinster. Der Boden war mit Steinen und Felsbrocken übersät, sodass sie nur langsam vorankamen, aber nachdem sie über einen Felshaufen gestiegen waren, der die Höhle in zwei Hälften teilte, gelangten sie zu Daphne.
Von der Stelle oben auf den Felsen, wo er stand, blickte Charles dorthin, wo sie in sichtlich unbequemer Stellung auf dem Boden saß, während ihr rechter Fuß bis zum Knöchel zwischen zwei großen Felsblöcken steckte. Da sie sie kommen gehört hatte, blickte sie auf, und auf ihre Züge malte sich Erstaunen, als sie Charles erkannte.
Der schwächer werdende Feuerschein liebkoste ihre angespannten Züge; ein Schmutzfleck zierte eine Wange, und ihr Haar fiel ihr in einer Wolke aus schwarzer Seide auf die Schultern. Während Charles sie so anschaute, verspürte er ein seltsames Gefühl, als wankte der Boden unter seinen Füßen. Wie überaus interessant, dachte Charles, fasziniert von seiner Reaktion auf sie.
Sie dagegen empfand eindeutig völlig anders. Sie starrte
zu ihm empor und rief missvergnügt: »Sie! Was tun Sie denn hier?«
»Er ist gekommen, uns zu helfen«, erklärte Adrian fröhlich, während er sich neben Charles stellte, dann kletterten sie den Felshaufen auf der anderen Seite zusammen herunter. »Er hat Lord Trevillyan geschickt, unsere Diener zu holen.« Er strahlte seine Schwester an. »Du wirst innerhalb kürzester Zeit befreit sein und die Höhle verlassen können, Daffy. Dafür wird Mr. Weston sorgen.«
Bei dem bewundernden Blick, mit dem Adrian Mr. Weston ansah, wurden Daphnes Lippen schmal. Charles, der ihre Reaktion sah, grinste und ging neben ihr in die Hocke, wobei er leise sagte: »April und Adrian haben bereits ihre aufrichtige Dankbarkeit für meine Hilfe bekundet, daher gehe ich einfach davon aus, dass Sie ähnlich empfinden.«
Sie holte tief Luft,
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