Woge der Begierde
zwischen ihr und Goodson vielleicht nur vorgeschoben ist und sie am Ende gemeinsame Sache machen?«
Daphne hätte sich fast an ihrem Kaffee verschluckt. Sie schaute Adrian an und fragte: »Warum sollte Goodson ihr helfen wollen?«
Adrian schien Zweifel zu haben. »Das hatte ich nicht bedacht. Es gibt keinen Grund, weswegen Goodson ihr helfen sollte. Was ist mit Mrs. Hutton?«
Charles, der Daphnes Gesicht gemustert hatte, immer noch neugierig, weswegen sie unbedingt Mrs. Darbys Gespenstergeschichten hatte hören wollen, erkundigte sich leichthin: »Da stellt sich dieselbe Frage: warum? Genau genommen, warum sollte jemand vom Hauspersonal ihr helfen?« Er lächelte. »Sind Sie so ein gestrenger Herr und Meister, dass alle Diener sich mit ihr verbünden, um Sie aus Beaumont Place zu vertreiben?«
»Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall«, erklärte Daphne, und ein Lächeln schimmerte in ihren schönen Augen. »Adrian ist vermutlich der freundlichste Herr, dem sie je gedient haben. Ich bezweifle, dass sie ihn durch einen anderen ersetzt sehen wollen.«
»Vielleicht ist es weniger, dass sie uns nicht mögen«, wandte April ein, die Daphne gegenübersaß, »sondern dass es einen verborgenen Schatz im Haus gibt. Wir müssen verschwinden, damit sie in Ruhe suchen können.«
»Wirklich, April, das ist ein verflixt guter Vorschlag«, rief
Adrian, von den Überlegungen seiner jüngeren Schwester sichtlich beeindruckt.
»Nach Mr. Vintons Ausführungen hat das Haus doch mehrere Monate leer gestanden - sie hätten nach Herzenslust suchen können«, wandte Daphne ein. »Außerdem wohnen wir hier schon mehrere Monate, warum sollten sie da auf einmal wollen, dass wir gehen?«
Adrian und April wirkten niedergeschlagen. »Vermutlich hast du recht«, sagte Adrian mit Bedauern. »Aber wenn Mrs. Darby keine Hilfe hatte, dann frage ich mich, wie sie es geschafft hat.«
Charles hob die Brauen. »Mit Zauberkünsten natürlich.«
Mit großen runden Augen bemerkte April: »Oh, denken Sie das wirklich? Wie aufregend! Ich hatte ganz vergessen, dass Mrs. Darby eine Hexe ist. Das erklärt dann natürlich alles.«
Adrian wirkte nicht überzeugt, aber Daphne wechselte rasch das Thema und fragte ihn, ob er immer noch vorhabe, mit April heute Vormittag zum Haus des Vikars zu fahren, um dessen Tochter Rebecca zu besuchen. Die Unterhaltung wandte sich von da an praktischeren Punkten zu, und über Gespenster und den Vorfall vom Vortag wurde nicht weiter geredet.
Aber er war nicht vergessen, dachte Daphne, als sie und Charles kurze Zeit später von den Eingangsstufen aus ihren Geschwistern nachwinkten. April würde die ganze Geschichte brühwarm ihrer Busenfreundin erzählen und Adrian zweifellos keine Zeit verschwenden, den beiden Söhnen des Vikars, Quentin und Maximilian, alles zu berichten - unter zahllosen Ausschmückungen, wenn sie ihren Bruder auch nur ein bisschen kannte. Bis heute Abend würde
sich die Nachricht von dem Vorfall, mit jeder Wiederholung farbenfroher und entsetzlicher geworden, im Umkreis von Meilen verbreitet haben. Sie seufzte. Sie freute sich nicht auf die nächsten paar Tage und die Besuche der neugierigen Nachbarn.
Wie um ihre Gedanken auszusprechen sagte Charles: »Ich vermute, dass Sie in Kürze viele Besucher erwarten dürfen. Und die ersten werden der Vikar und seine Frau sein, die wissen wollen, was in Wahrheit geschehen ist.« Er ging mit ihr wieder ins Haus zurück und fragte: »Was wollen Sie ihnen sagen?«
Daphne entschied sich gegen den Blauen Salon und begab sich stattdessen in den förmlicheren Salon in Cremeund Goldtönen auf der Vorderseite des Hauses. Als sie den Raum betraten und Charles die Tür hinter ihnen schloss, machte ihr Herzschlag einen kleinen Satz. Sie fühlte sich nicht wirklich ungezwungen in Charles’ Gegenwart, besonders wenn sie mit ihm allein war nicht. Ihr waren die Gefühle, die sich in ihr breitmachten, nicht ganz geheuer, einerseits fürchtete sie, dass er sie in die Arme ziehen würde und sie küsste wie in Mr. Vintons Büro, andererseits sehnte sie sich danach. Sie riskierte einen Blick zu ihm, fragte sich, was er wohl an sich hatte, dass sie sich so unnatürlich verhielt, wie eine liederliche Person, der an nichts gelegen war als an körperlicher Lust. Da sie praktisch in der Armee aufgewachsen war, hatte sie in ihrem Leben viele Männer kennen gelernt, aber keiner hatte auch nur annähernd eine ähnliche Wirkung auf sie wie Mr. Weston. Sie verzog das Gesicht. Sie war sich
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