Woge der Begierde
besorgt gewesen, wie sie wohl sein würden, was sie sich wegen der plötzlichen Eheschließung denken mussten und wegen der Tatsache, dass sie keinerlei gesellschaftliche Verbindungen und kein Vermögen hatte. Doch das herzliche
Lächeln des Earls und die freundliche Art und Weise, mit der die Countess sie umarmte, beruhigten sie. Wenn sie fand, dass Charles und Marcus sich bemerkenswert ähnlich sahen, dann verblüffte die Ähnlichkeit zwischen Charles und dem Earl sie vollends. Sie hätten gut und gerne Zwillinge sein können, dachte sie benommen, während sie in die erstaunlich vertrauten Züge des Earls blickte. Dann merkte sie, dass sie ihn anstarrte wie ein Schulmädchen, und ihre Wangen wurden rot, sie senkte den Blick und murmelte etwas Unverständliches.
Die Countess hingegen umarmte Daphne erneut und erklärte: »Keine Sorge. Sie ähneln sich wirklich auffallend. Anders als Sie war ich vorgewarnt, sodass ich nicht völlig verdutzt war, als ich Charles zum ersten Mal sah, aber Sie …« Sie lächelte Daphne an. »Charles, der Schlingel, hat kein Wort darüber verloren, oder?«
Völlig entwaffnet von der freimütigen Art der Countess sagte sie: »Da war er wirklich ein Schuft, denn er hat nichts davon gesagt. Nicht, dass Mr. Sherbrook nicht auch eine erstaunliche Familienähnlichkeit aufweist.«
»Das mag alles sein, aber du musst zugeben, dass ich bei Weitem der am besten Aussehende von allen bin«, bemerkte Charles halblaut und bemühte sich darum, bescheiden zu wirken, scheiterte aber kläglich.
»Sicherlich der Eingebildetste«, erklärte der Earl mit einem Lachen. »Es ist, fürchte ich, sein hartnäckigster Charakterfehler.« Er nahm Daphnes Hand und sagte: »Meine Gattin und ich freuen uns sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Beaumont, und wir heißen Sie herzlich in der Familie willkommen.« Er bedachte Charles mit einem spöttischen Blick. »Obwohl ich Sie erst eben kennen gelernt habe, habe ich doch das Gefühl, als hätten Sie einen segensreichen
Einfluss auf den Burschen, den Sie heiraten wollen. Glauben Sie mir, er braucht eine strenge Hand.«
»Verflixt, Julian, rede ihr bitte nicht solchen Unsinn ein! Ich schlottere schon mit den Knien aus Angst, völlig unter ihren Pantoffel zu geraten. Du brauchst ihr auf keinen Fall noch Tipps zu geben, wie sie mich restlos unter Kontrolle bringen kann.« Er grinste Daphne an. »Sie schafft das auch gut alleine.«
»Nun, ich habe jedenfalls fest vor, es zu versuchen«, erwiderte Daphne.
Nell lachte und klatschte entzückt in die Hände. »Oh, ich wusste, dass ich Sie mögen würde. Sie sind genau das, was Charles braucht. Ich hatte solche Angst, dass er irgendeiner hübschen fügsamen Frau ins Netz gehen würde, die so überhaupt nichts für ihn wäre. Aber jetzt sagen Sie, wo sind Sir Adrian und Ihre Schwester? In Charles’ Briefen stand so viel über sie, dass ich mich so darauf gefreut habe, sie endlich persönlich zu treffen - sie klingen nach einem ganz reizenden Paar.«
Mit nichts hätte sich Nell schneller einen Platz in Daphnes Herz erobern können als mit dieser Frage nach ihren Geschwistern. »Sie erwarten uns im Goldenen Salon.« Sie lächelte. »Mein Bruder hatte das Gefühl, es wäre besser, wenn ich Sie erst alleine kennen lerne. Kommen Sie bitte hier entlang.«
Adrian und April erhoben sich nervös von ihren Plätzen, als Julian, Nell und Marcus von Daphne und Charles ins Zimmer geführt wurden. Sobald sie allen vorgestellt waren, beruhigten sie sich rasch unter Julians freundlicher Behandlung und Nells herzlichem Interesse, sodass sie bald schon wieder die gewohnte Ungezwungenheit an den Tag legten. Sie schlagen sich sehr gut, dachte Daphne stolz eine Weile
später und beobachtete Adrian, der in eine ernsthafte Unterhaltung mit dem Earl und Marcus vertieft war. April saß auf dem Sofa und plauderte mit der Countess. Ihr Benehmen war tadellos - wer wäre da nicht von so netten und gut aussehenden jungen Leuten eingenommen?
Charles kam zu ihr, stellte sich neben sie und flüsterte ihr ins Ohr: »Schmiedest du schon Pläne, wie du dich Nells Hilfe bei Aprils Debut in London versichern kannst?«
Daphne besaß den Anstand, rot zu werden. »Nein, kein Pläneschmieden«, gestand sie mit schuldbewusster Miene, »aber ich hatte gehofft, dass, wenn die Countess April genug mag, sie sie vielleicht hochrangigen Mitgliedern der guten Gesellschaft vorstellt.« Sie schaute Charles mit leuchtenden Augen an. »Es wäre einfach wundervoll für
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