Woge der Begierde
aufhörte, ihn so anzusehen, dann, so fürchtete er, würde er die Ehe gleich hier und jetzt vollziehen, auf der
Sitzbank seiner Kutsche. Seine Lenden wurden schwer, und die Vorstellung, mit der Hand unter den weiß und silbern gemusterten Stoff zu fahren, ihre zarte Haut zu erkunden, war beinahe sein Untergang.
Mit Gewalt zwang er seine Gedanken in eine andere Richtung, weg von Visionen schlanken, nackten Fleisches, besser, er schaute auf ihre verschränkten Hände. Verzweifelt durchforstete er sein Hirn nach einem Gesprächsthema, das nichts mit seinem Verlangen zu tun hatte, sie zu entkleiden. Ihm fiel wieder ein, dass er ihr noch etwas sagen musste, sie in seine Pläne einweihen, von denen sie noch nichts ahnte, und er griff danach wie ein Ertrinkender nach dem rettenden Strohhalm. Es war gewiss nicht der rechte Zeitpunkt dafür, das war ihm bewusst, aber er wusste wirklich nicht, wann ein geeigneterer Zeitpunkt wäre und sie das gerne hören würde, was er ihr zu sagen hatte.
Besser jetzt, solange sie allein waren, als auf Beaumont Place, entschied er. Es würde ihr nicht gefallen, egal, wann und wie behutsam er es ihr beibrachte. Aber es war ihm vernünftig und notwendig erschienen. Während er überlegte, wie er es ihr am besten mitteilen sollte, wunderte er sich, was aus seiner Arroganz und Entschlossenheit, alles so zu arrangieren, wie es ihm passte, geworden war. Schuldgefühle versetzten ihm einen Stich. Nun, er hatte es so geplant, weil es ihm so am besten gefiel, das gestand er sich gerne ein, aber es war auch zu Daphnes Wohl. Und seit wann eigentlich , dachte er, mache ich mir solche Sorgen wegen der möglichen Reaktion einer Frau, selbst wenn es sich dabei um meine eigene handelt? Seine Lippen zuckten. Vermutlich seit ich mich in die kleine Hexe verliebt habe. Er holte tief Luft. Besser er brachte es hinter sich.
Seine elegant gebundene Krawatte fühlte sich an, als würde
sie ihn würgen, während er sagte: »Äh, ich habe mit Julian und Nell gesprochen, und sie sind einverstanden, eine Weile auf Beaumont Place zu bleiben … während wir einen Blitzbesuch auf Stonegate machen. Ich habe alles so arrangiert, dass wir heute Nachmittag aufbrechen können. Die Nacht werden wir in einem ausgezeichneten Postgasthof bei Looe verbringen, sodass wir morgen Nachmittag irgendwann auf Stonegate eintreffen, spätestens am frühen Abend.«
Daphne setzte sich auf, und ihre Stirn umwölkte sich. »Beaumont Place verlassen? Heute Nachmittag? Oh, das geht nicht! Ich habe nichts gepackt. Es sind Gäste im Haus, und Adrian und April …«
»Adrian und April wird es bestens gehen - Julian und Nell passen auf. Und ich habe mir die Freiheit herausgenommen, durch Nell deiner Kammerzofe auszurichten, deine Taschen zu packen. Deine Zofe und mein Kammerdiener sind bereits auf dem Weg nach Looe. Es ist alles bestens geplant und vorbereitet. Wir werden eine gute Woche weg sein.« Er wartete, dass der Sturm losbrach, aber zu seiner Erleichterung sah sie eher verdutzt als wütend aus.
»Aber warum? Sicherlich kann ich noch bald genug nach Stonegate fahren und es mir ansehen.«
Sein Griff um ihre Hand wurde fester. »Weil«, sagte er mit Berechnung, »ich möchte, dass du dein neues Zuhause siehst, deine Untergebenen kennen lernst, aber am meisten, weil ich dich lieben möchte, ohne jedes Mal unter den wissenden Augen anderer Spalier laufen zu müssen, wann immer wir das Schlafzimmer verlassen.«
Daphne wurde rot, als sie sich vorstellte, sich am nächsten Morgen früh mit Adrian, April und dem Earl gemeinsam an den Frühstückstisch zu setzen, während jedes Mitglied
des Haushalts wusste, dass … Die Röte vertiefte sich. »Oh. Daran hatte ich gar nicht gedacht.«
»Ich aber«, erklärte Charles mit Gefühl. »Wir werden unser Hochzeitsfrühstück mit unserer Familie und unseren Freunden genießen, und dann brechen wir nach Stonegate auf.«
Charles’ Plan ging auf, alles lief ab, wie er es arrangiert hatte. Daphne wunderte sich, wie leicht ihr ums Herz war, als sie ihren Geschwistern und den anderen zum Abschied winkte, während die Kutsche von der Auffahrt von Beaumont Place fuhr. Sie war nie von Adrian und April getrennt gewesen, und ihr Wohlergehen lag ihr natürlich am Herzen, aber mit einem komischen kleinen Schrecken wurde ihr klar, dass wundersamerweise Charles auf einmal der wichtigste Mensch in ihrem Leben geworden war. Sie schaute ihn an. Ihr Ehemann, bald ihr Geliebter …
Nach Einbruch der Dunkelheit
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