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Wogen der Liebe

Wogen der Liebe

Titel: Wogen der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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Sand.
    »Raudaborsti, geh und schäle Eichenrinde. Sie soll im Kessel kochen bis heute Nacht.«
    Thoralf kam sich überflüssig vor. Er wusste nicht, was er von Vivianes Verwandlung halten sollte. Sie war bestimmt keine schwache Frau, hatte sie sich doch durch ihr Schicksal kämpfen müssen. Aber was er nun erlebte, stellte auch seine Weltordnung auf den Kopf. Ob Viviane wirklich ein Mensch war oder doch eine der Riesengöttinnen in menschlicher Gestalt? Er fuhr sich durch seinen blonden Schopf, raufte sich die Haare und betrachtete immer wieder die Klinge im Sand. Auch er wagte nicht, sie zu berühren. Er hatte schon viel erlebt auf seinen Fahrten, auf den Märkten, die er ansteuerte. Er kannte Schwerter, die eines Königs würdig waren und die er nicht bezahlen konnte. Solche Schwerter bestanden aus diesem besonderen Stahl, den man im fernen Orient herzustellen verstand. Die breite, flache Klinge war von fränkischer Machart. Für einen Wikinger war sein Schwert mehr als eine Waffe. Meist wurde es vom Vater auf den Sohn vererbt. Björgolf hatte sein Schwert jedoch mit in sein Grab im Moor nehmen müssen. Das Schwert, das Thoralf besaß, hatte er erbeutet. Es war ein gutes Schwert, wurde es doch vom Geist eines todesverachtenden Kämpfers bewohnt.
    Die Männer machten Viviane ehrfürchtig Platz, als sie zum Gesindehaus wankte. Thoralf wollte zu ihr eilen und sie stützen, doch Yngvar hielt ihn zurück. »Erweise ihr die Ehre, die man einem wikingischen Schmied erweist. Was sie geschafft hat, können wir nicht hoch genug achten.«
    Dalla versteckte sich hinter dem Rücken von Astrid und lugte über deren Schulter. »Zauberei«, murmelte sie. »Das ist doch alles Zauberei.«
    Raudaborsti, die, mit einem Messer bewaffnet, auf Rindensuche gehen wollte, stampfte wütend mit dem Fuß auf.
    »Niemals! Ich wusste von Anfang an, dass sie die Tochter eines Schmieds ist. Ich habe sie gewarnt, dass es für sie gefährlich sein könnte. Und das ist es, denn sie wird nun als Zauberin beschimpft.«
    Ihr kindliches Gesicht hatte sich rot verfärbt, die gerunzelten Augenbrauen zeugten von unbändigem Zorn.
    »Was hättet ihr denn mit ihr gemacht, he? Eine Sklavin, die Waffen schmieden kann.«
    »Wir hätten es nicht geglaubt«, erwiderte Thoralf wahrheitsgemäß. »Zudem ist sie eine Frau …«
    »Warum soll denn eine Frau nicht auch Außergewöhnliches leisten können?« Raudaborsti ließ sich nicht beruhigen. »Frigg ist auch eine Frau, die Walküren, die Nornen. Oder glaubt jemand, dass Frigg keine göttliche Macht hat?«
    Truud packte Raudaborsti. »So darfst du nicht mit der Herrschaft sprechen«, rügte sie, wagte aber nicht, die Hand zu erheben.
    Raudaborsti riss sich los. »Ist doch wahr«, schmollte sie. »Niemand will sehen, wie außergewöhnlich Viviane ist.«
    »Du hast sie sehr gern, nicht wahr?« Astrid nahm die Kleine schützend in den Arm. Raudaborsti nickte schweigend.
    Astrid wechselte mit Thoralf einen langen Blick. »Sie
ist
außergewöhnlich«, sagte er. Dann drehte er sich um. »Habt ihr nichts zu tun, Männer?«
    Viviane schlief tief und traumlos. Sie spürte nicht einmal ihre schmerzenden Glieder, die Brandflecken auf ihrer Haut, die Blasen an den Handflächen. Niemand störte sie in ihrem gerechten Schlaf. Die Männer schlugen einen großen Bogen um das Gesindehaus, denn noch immer war ihnen Viviane unheimlich, trotz Raudaborstis energischen Protests. Thoralf leitete den weiteren Aufbau, trieb die Männer an, bis zum nächsten Vollmond die Arbeiten zu beenden. Wie immer, wenn er mit etwas nicht zurechtkam und nachdenken musste, um mit sich selbst ins Reine zu kommen, suchte er die Bewegung. Dass Skollhaugen überfallen und abgebrannt war, dass sein Vater und viele seiner Leute getötet worden waren, hatte ihn geschockt, aber er hatte sich schnell auf die neue Situation eingestellt. Doch was er in der letzten Nacht gesehen hatte, überstieg seine Vorstellung vom Wesen einer Frau. Es begeisterte und befremdete ihn, wühlte ihn auf und zog ihn an. Was für eine Frau! Benötigte sie ihn, seinen Schutz, seine Fürsorge überhaupt? Sie war doch so anschmiegsam, so fraulich, so schutzbedürftig. Er wollte für sie da sein, ihr starker Held, ihr Ernährer, ihr Beschützer, ihr Liebhaber.
    Nun aber hatte sich auf einen Schlag alles verändert. Für einen Wikinger stand der Schmied in einem hohen Rang, war er doch allein in der Lage, die wichtigen Waffen für einen Krieger, Seefahrer, König herzustellen: Äxte,

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