Wogen der Sehnsucht
schön, aber erdrückend. Die Sonne war über den Platz gewandert, sodass die hohen Räume mit ihren hallenden Marmorböden ab Mittag im Schatten lagen. Das war jedoch nicht der einzige Grund, warum Tristan immer kalt war, wenn er sich hier aufhalten musste.
„Tom.“
„Endlich. Du bist unglaublich schwer zu erreichen“, knurrte Tom freundschaftlich. „Warst du gerade dabei, dich mit einer unschuldigen Buchhalterin zu vergnügen, oder so etwas? Deine Sekretärin hat sich ganz schön geziert, mich durchzustellen.“
„Du liest zu viele Klatschkolumnen“, erwiderte Tristan beleidigt. „Ich arbeite. Ob du es glaubst oder nicht, Banken führen sich nicht von allein. Bianca hatte strikte Anweisungen, keine Anrufe durchzustellen und keine Besucher durchzulassen, deshalb weiß ich nicht, wie du sie dazu überreden konntest.“
„Das nennt man Charme, alter Kumpel. Das ist das, was diejenigen von uns anwenden müssen, die eine Frau nicht nur ansehen müssen, um sie ins Bett zu kriegen. Welche ist Bianca? Die Dunkelhaarige mit dem Ausschnitt, in dem man sich verlaufen kann?“
Tristan grinste zögernd. „Nein. Rothaarig, sieht aus wie Sophia Loren, obwohl das angesichts der Tatsache, dass du bald ein verheirateter Mann sein wirst, keine Rolle spielen dürfte.“ Sein Lächeln wurde ein wenig steifer, als er sagte: „Wie geht es denn der liebreizenden Braut?“
„Oh, du weißt schon; sie ist schön und sexy … und redet plötzlich nur noch von Blumenschmuck und Brautjungfernkleidern. Ich sage dir, das ist eine völlig neue Welt. In meinen dunkleren Momenten habe ich mich schon bei dem Gedanken erwischt, dass deine unverbindlichen One-Night-Stands vielleicht doch etwas für sich haben.“
„Endlich siehst du es ein“, sagte Tristan trocken. „Du kannst es dir immer noch anders überlegen, weißt du?“
Tom lachte. „Nein, es ist zu spät. Viel zu spät. Ich bin Kräften ausgeliefert, die jenseits meiner Kontrolle liegen – genauer gesagt, Scarlet und meiner Mutter. Meine Mutter hat beschlossen, dass wir eine Verlobungsparty geben müssen, und als Trauzeuge musst du, fürchte ich, daran teilnehmen. Deshalb rufe ich an – hast du am letzten Samstag im September Zeit? Scarlet glaubt, dass der Schock für ihre Familie geringer ist, wenn sie meine bei einem kleinen Dinner in Stowell kennenlernt.“
Tristan blickte auf seinen Blackberry. Dort waren bereits zwei Partys in Madrid und Lissabon, ein Geschäftsessen in Mailand und eine Einladung von Freunden zu einem Wochenendtrip auf eine Insel eingetragen.
„Was, wenn ich Nein sage?“
„Dann feiern wir die Verlobung im Oktober.“ Tom klang völlig gleichgültig. Tristan lehnte sich in seinem Stuhl zurück, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und unterdrückte ein Seufzen, als ihm klar wurde, dass er aus dieser Nummer nicht so einfach herauskommen würde, obwohl er merkte, dass er das sehr wohl gern täte. Warum auch immer …
„Ich versuche es“, sagte er knapp. „Aber eines meiner Projekte befindet sich gerade an einem schwierigen Punkt. Du weißt, wie es ist. Ich kann nichts versprechen.“
„Nein. Natürlich nicht. Das kannst du nie.“ Über die vielen Meilen hinweg hörte Tristan die leise Resignation in Toms Stimme. „Du bist ohne Zweifel der amtierende Weltmeister im Nichts-versprechen-und-nichts-zusagen-Können. Aber trag den Termin ein und versuche, da zu sein, falls nichts Wichtigeres dazwischenkommt.“
„Ich melde mich wieder bei dir“, versprach Tristan. Er beendete den Anruf, stand auf und starrte für einen Moment auf das Telefon in seiner Hand, während Toms Worte in seinem Kopf nachhallten.
Natürlich war jedes davon wahr.
Er fluchte, schlug mit der Faust auf das polierte Holz seines Schreibtisches, von dem aus Generationen von Romeros ihr Bankenimperium geleitet, ihren Namen ausgenutzt und ihre Macht und ihr Vermögen konsolidiert hatten, ganz egal, wer auf dem Weg dorthin vernichtet wurde. Und er war genauso kalt und rücksichtslos wie alle anderen. Er hatte sich niemals gestattet, das zu vergessen oder etwas anderes zu glauben, egal, wie viel Wiedergutmachung er auch leistete. In dem blauen Blut in seinen Adern flossen die Sünde und die Korruption seiner Vorfahren. Seines Vaters. Er unterschied sich nur darin von ihnen, dass er ehrlich war.
Ehrlich.
Ehrlich genug, um sich einzugestehen, dass er nicht mehr zu retten war. Ehrlich genug, um zu wissen, dass er besser allein blieb.
Er lachte bitter auf. Okay, wenn er schon
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