Wogen der Sehnsucht
offensichtliches Verlangen leuchtete.
Er schauspielerte.
Und natürlich schauspielerte sie auch. Sie stand bei Scarlets Bruder Jamie, lächelte und unterhielt sich und hielt ihr Glas an ihre Lippen und tat so, als ob alles normal wäre. Tat so, als hätten die Schwangerschaftshormone sie nicht fest im Griff, als hätte sie nicht gerade einer Ehe ohne Liebe mit einem notorischen Playboy zugestimmt und – was am schlimmsten war – als hätte sie nicht das Gefühl, dass ihr zukünftiger Ehemann sie von der anderen Seite des Raumes aus mit den Augen auszog.
Ehemann?
Das Wort klang viel zu häuslich, zu zahm für einen Mann, dessen Blicke über eine Entfernung von zwanzig Metern ausreichten, um sie vor heimlichem Verlangen ganz verrückt zu machen. Ihre Ehe würde extrem schwierig werden, wenn das die Wirkung war, die er auf sie hatte.
O Gott, was hatte sie nur getan?
Scarlets Bruder Jamie sprach über die Band, in der er an der Universität spielte. Lily gab nur ab und zu zustimmende Laute von sich, während sie sich vorsichtig umwandte und zu Tristan hinübersah, der immer noch an dem großen Steinkamin lehnte und mit Toms bildhübscher junger Cousine sprach, die ihn ganz offensichtlich anhimmelte.
In diesem Moment sah er auf und blickte Lily direkt in die Augen, so als habe sie an irgendwelchen unsichtbaren Fäden gezogen, die sie miteinander verbanden. Es lag so viel heißes Verlangen in seinem Blick, das Lily das Gefühl hatte, er habe sie gegen die mit Seidentapeten überzogene Wand gedrückt und presse ihr eine Hand gegen die Kehle.
Und dann lächelte er.
Es war wie ein Sonnenaufgang. Ein langsames Erwärmen, eine köstliche goldene Andeutung der Hitze, die noch folgen würde. Lily war sich vage bewusst, dass die Cousine sich umdrehte, seinem Blick folgte und sichtbar zusammenzuckte, als sie erkannte, dass er einer anderen galt.
„Holen Sie Ihren Mantel, Miss Alexander, ich glaube, Sie haben sich gerade einen Milliardär geangelt.“
Jamies leise, amüsierte Stimme brachte Lily wieder in die Realität zurück. Sie drehte sich abrupt zu ihm um und versuchte, ihre flammend roten Wangen hinter ihrem Haar zu verstecken. Doch bevor ihr eine passende Erwiderung einfiel, senkte er seine Stimme und sagte: „Okay, er kommt her. Das ist der Moment, in dem ich mich verdrücke und dich allein lasse. Viel Glück!“
Sie wollte etwas antworten; sie wollte ihn bitten zu bleiben, aber plötzlich war ihr Mund so trocken, dass die Worte einfach nicht herauskommen wollten. Als Jamie in der Menge verschwunden war, wandte sie sich um und gab vor, sich für das Porträt eines langweiligen Mann mit einer gepuderten Perücke und einem säuerlichen Gesichtsausdruck zu interessieren. Männer der Regency-Ära sollten eigentlich schneidig und verwegen aussehen, dachte sie vage und erinnerte sich an die Helden aus den Georgette-Heyer-Romanen, die sie und Scarlet früher verschlungen hatten. Sie waren fast verzweifelt darüber, ob sie in Brighton jemals Männer finden würden, die diesem Bild entsprachen …
„Das wäre, glaube ich, ein guter Zeitpunkt, um zu gehen. Denkst du nicht?“
Ihr gesamter Körper zuckte zusammen, als Tristans heisere spanische Stimme ihr Ohr liebkoste. Er stand direkt hinter ihr, hob sehr zärtlich eine Haarsträhne an, die ihr über die Schulter gefallen war, und schob sie hinter ihr Ohr.
Flammen züngelten an Lily hinab bis in ihr Becken und machten es ihr schwer, klar zu denken.
„Aber ich übernachte heute hier …“
„Das war Plan A, Darling“, murmelte er leise, legte die Hände auf ihre Hüften und zog sie an sich, während seine Lippen über ihren Hals strichen, über ihr Kinn und ihre Ohrmuschel. „Ich habe darum gebeten, dass deine Sachen in mein Auto gebracht werden. Ich bringe dich nach Hause.“
Lily konnte nicht sprechen.
Aber selbst wenn sie es gekonnt hätte, wäre sie nicht stark genug gewesen, mit ihm zu streiten.
6. KAPITEL
Beinahe so atemberaubend wie sein Talent, eine Rolle einzunehmen, war das, sie wieder abzulegen.
Als Lily auf dem Beifahrersitz neben ihm saß, immer noch ganz aufgelöst von seinen Berührungen, warf sie Tristan einen verstohlenen Blick zu. In dem Moment, in dem sie Stowell verlassen hatten, war er sofort wieder auf Distanz gegangen, und in dem polierten Holz des Armaturenbretts wirkte sein Gesicht ausdruckslos. Das Gesicht eines attraktiven Fremden. Sie zitterte.
„Ist dir kalt?“, fragte er mit distanzierter Höflichkeit.
„Nein. Na ja, ein
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