Wogen der Sehnsucht
hindern!“, erklärte sie kurz angebunden. „Wenn du gesehen hättest, was ich gesehen habe … Waisenkinder, krank und unterernährt. Babys, deren Mütter zu krank sind, um sie zu stillen oder sie auch nur hochzuheben und mit ihnen zu schmusen; zehnjährige Jungen, die gezwungen sind, die Vaterrolle für ihre Geschwister zu übernehmen, und verzweifelt versuchen, ihre Familien zusammenzuhalten …“
„Danke, aber du kannst dir die humanitäre Standpauke sparen.“
Er klang beinahe gelangweilt. Aus den zornigen Flammen in Lily wurde eine Feuersbrust, angefacht von der Angst und der Frustration und der Unsicherheit dieses Abends. „Und du erspar mir dein autoritäres Alpha-Mann-Gehabe!“, zischte sie. „Du hast mir sofort klargemacht, dass dein Leben durch unsere Verbindung nicht durcheinandergebracht werden darf, aber ich nehme an, als Romero-Braut genieße ich nicht dieselben Freiheiten? Nun, ich war bis jetzt bereit, das alles mitzumachen, Tristan, und ich habe versucht, deine Familie und eure Geschichte zu respektieren, weil das auch das Erbe unseres Kindes ist, aber nur weil du reich bist und Einfluss hast und einen Titel, bedeutet das nicht, dass du das Recht hättest, mich herumzuschubsen oder einzuschüchtern.“
„Ich dachte, du wolltest das Baby behalten.“ Tristans Stimme war eiskalt, aber im Schein der Straßenlaternen konnte Lily einen Muskel auf seiner Wange zucken sehen.
Sie setzte sich auf und spürte den Sicherheitsgurt eng um sich. Er hielt sie zurück, genau wie Tristan. Zornig zog sie ihn von ihrem Körper weg.
„Das will ich auch. Ich will es mehr als alles andere, ich …“
„Dann hätte ich gedacht“, sagte er mit einer gefährlich sanften Stimme, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ, „dass du tust, was das Beste für das Baby ist. Dein Bedürfnis zu helfen ist lobenswert, aber glaubst du wirklich, dass der ärmste, von schlimmen Krankheiten heimgesuchte Teil Afrikas der richtige Ort für eine schwangere Frau ist? Du bist beim letzten Mal krank geworden. Wer sagt dir, dass es nicht wieder passiert?“
Lily ließ sich in den Sitz zurückfallen. Sie wandte sich von ihm ab und schloss die Augen, als das Entsetzen über ihre eigene Dummheit sie traf, zusammen mit einer weiteren Welle von Schwindel und Übelkeit, als würde das Baby sie ebenfalls an seine Anwesenheit erinnern wollen. Blind tastete sie nach dem Fensterheber, um Luft hereinzulassen, zog jedoch aus Versehen am Türgriff. Im nächsten Moment ertönte ein lautes Geräusch, als die Tür aufschwang und eine Welle kalter Luft sie wie eine Lawine traf.
Tristan reagierte blitzschnell. Er hielt das schleudernde Fahrzeug mit einer Hand in der Spur und drückte Lily mit seinem Körpergewicht zurück in den Sitz, während er den Wagen mit quietschenden Reifen herumriss und ihn auf dem Seitenstreifen zum Stehen brachte. Der Motor ging aus, und die plötzliche Stille war von dem Geräusch ihres heftigen Atems erfüllt.
Sehr langsam wandte Lily sich um und sah ihn an. Sein Kopf war gesenkt, seine Augen geschlossen, und sein Arm lag noch immer über ihrem Körper und schützte sie effektiver als jeder Gurt.
„Es tut mir leid“, flüsterte sie.
Einen Augenblick lang rührte Tristan sich nicht. Dann sah sie, wie sich die Finger der Hand, die auf ihrem Oberschenkel lag, langsam zu einer Faust ballten, bevor er sich aufrichtete und sie mit schrecklicher Präzision zurück auf das Lenkrad legte.
Als er sich zu ihr umwandte, zog sich Lilys Herz bei seinem Gesichtsausdruck zusammen.
„Eins solltest du wissen, Lily. Ich werde niemals ein guter Ehemann oder ein perfekter Vater sein, aber ich bin kein Tyrann. Ich werde dich niemals zu etwas zwingen oder dich kontrollieren.“ Nur für eine Sekunde brach die Maske seiner Selbstbeherrschung auf, und Lily konnte eine schreckliche Trostlosigkeit und Qual dahinter sehen. Sie spürte, wie in einer Art leisem Aufkeuchen die Luft aus ihren Lungen wich, während all ihre Instinkte ihr sagten, dass sie ihn berühren, ihn trösten sollte. Aber es war zu spät. Die Maske war wieder da, kälter und perfekter als zuvor. „Ich kann dir keine Liebe bieten“, sagte er mit leiser Stimme, „aber ich gebe dir Sicherheit. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um dich und das Baby zu beschützen. Verstehst du?“
Zu schockiert, um zu sprechen, nickte Lily schweigend.
Tristan hielt vor der Adresse in Primrose Hill, die Lily ihm noch gesagt hatte, bevor sie einschlief. Er blickte
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