Wogen der Sehnsucht
dünnere Tiere folgten der ersten.
„Wie viele Katzen hast du?“, fragte er und brach das Schweigen.
Lily wandte sich um, ein von einem blassen roten Samtband zusammengehaltenes Bündel Papiere in der Hand.
„Offiziell keine. Ich bin zu oft weg, aber hier gibt es viele Streuner, und ich füttere sie, wann immer ich kann, und habe ein Auge auf sie.“ Sie öffnete die Schleife und nahm das oberste Blatt Papier herunter. „Die kleine Graue war selbst noch ein Baby, als sie zum ersten Mal warf. Ich fühle mich schrecklich deswegen – ich hätte sie sterilisieren lassen sollen.“
Sie durchquerte das Zimmer und gab ihm das Stück Papier. Tristan nahm es, ohne daraufzusehen, drückte sich dann vom Türrahmen ab und ging zurück in den Flur. Mit kaltem Sarkasmus sagte er: „Ist es nicht ein bisschen ironisch angesichts deiner eigenen Situation, dass du das Gefühl hast, bei der Verhütung der Katzenpopulation versagt zu haben?“
Sie blieb im Türrahmen stehen, die Augen gesenkt, und ließ sich das ausgefranste Band durch die langen Finger gleiten.
„Ja, vielleicht.“
Ihre ruhige Zustimmung stieß einen Pfeil aus Selbstverachtung und schlechtem Gewissen durch sein ramponiertes Herz, und er wehrte sich gegen den akuten und ungewohnten Schmerz, der ihn durchdrang.
„Es tut mir leid“, sagte er angespannt. „Das war nicht fair.“
„Nein, du hast recht.“ Sie schüttelte den Kopf und sah ihn an. Sie lächelte, aber in ihren Augen schimmerten ungeweinte Tränen, und Tristan hatte das Gefühl, als hätte jemand den Pfeil in seinem Herzen gepackt und würde versuchen, ihn herauszuziehen. Ohne Erfolg.
Er nahm ihr das Band aus der Hand und legte es dann mit düsterer Miene um den Ringfinger ihrer linken Hand.
„Was machst du da?“
„Ich muss deine Ringgröße wissen.“
Einen Moment lang blickten sie beide auf ihre Hand, die in seiner lag – milchig blass auf seiner dunkelgoldenen Haut, die Finger schlank und zart in seinem kräftigen Griff. „Du musst das nicht tun, weißt du“, sagte sie leise.
Tristan hob den Kopf und zwang sich, sie anzusehen. „Was?“
„Mich heiraten.“
Ihre Augen waren so sanft wie der Rauch eines Herbstfeuers. Er konnte sich nicht davon abhalten, bitter aufzulachen. „O doch, das muss ich“, sagte er düster und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Das muss ich, verstehst du, weil wir Romero-Männer zwar nicht lieben oder gerne Väter sein wollen. Aber es gibt etwas, das wir unglaublich gut können.“
„Und was ist das?“, flüsterte sie.
„Unsere Pflicht erfüllen.“ Er sagte die Worte, als seien sie ein Fluch.
Lily nickte und biss sich auf die Lippen. „Geht es dir darum?“, fragte sie ruhig. „Du willst nur deine Pflicht erfüllen?“
„Ja“, sagte er knapp. „Meine Pflicht erfüllen. Das ist alles, und wenn du das nicht willst, dann kannst du deine Meinung immer noch ändern. Aber mach dir nichts vor, Lily. Träume keinen Moment von etwas, das du niemals bekommen wirst. Denke nie, dass du mich verändern kannst …“
„Ich glaube aber, dass du ein Mann mit Gefühlen bist.“ Ihre Stimme war nachdenklich, beinahe entschuldigend. Sie machte einen Schritt auf ihn zu und stand jetzt so dicht vor ihm, dass er den süßen Mandelduft ihrer Haut riechen konnte. Ein Zittern durchlief seinen Körper, als sie eine Hand auf seine Brust legte. „Und ich glaube, dass das Gefühl, das dich am meisten beschäftigt, die Angst ist.“
Es war, als hätte jemand eine Spritze mit reinem Adrenalin genommen und ihm in die Vene gejagt. Tristan spürte, wie Hitze ihn durchströmte, dicht gefolgt von einer eiskalten Welle der Wut. Er umschloss ihr Handgelenk mit seinen Fingern, riss ihre Hand von seiner Brust und zog sie so fest herunter, dass sie das Gleichgewicht verlor und gegen ihn taumelte. Ihr Kopf fiel zurück, und sie sah ihn an, das Gesicht gerötet und mit einem abwehrenden Ausdruck in den Augen.
Mit Verlangen in den Augen.
Tristan spürte, wie sein Blut als Reaktion darauf in seine Lenden strömte. Sie atmeten beide schwer.
„Mach niemals den Fehler, zu glauben, dass du mich verstehst, Lily“, sagte er rau. „Ich kann dir versichern, das tust du nicht. Es gibt nur ein … Gefühl … zu dem ich fähig bin.“
Das war eine ziemlich krasse, primitive Art, es auszudrücken, aber sie schien diese Seite in ihm zu wecken. Er hatte erwartet, dass sie vor seinen absichtlich groben Worten zurückweichen würde. Aber das tat sie nicht. Da er eine ihrer Hände
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