Wogen der Sehnsucht
Karaffe, die auf dem Zedernholztablett in seinem Arbeitszimmer stand, in zwei Gläser. Er hielt Tristan eines davon hin, der es jedoch ignorierte.
„Und warum gehst du davon aus?“
Juan Carlos fixierte ihn über den Rand seines Glases hinweg. „Weil mir kein anderer Grund einfällt, warum du sie geheiratet haben könntest. Frauen wie sie macht man zu Geliebten, nicht zu Ehefrauen.“
Reagier nicht darauf. Zeig ihm nicht, dass es dich trifft. Lass ihn nicht sehen, dass es wehtut. Das war schon immer das Mantra in Tristans Kopf gewesen, wenn er in diesem Zimmer stand. Irgendwann war es zu einer Gewohnheit geworden.
„Frauen wie sie?“
„Frauen ohne Herkunft“, erklärte Juan Carlos mit angewidertem Gesichtsausdruck. „Ein Model, Tristan! Was für ein Klischee!“ Er blickte in sein Glas und schwenkte die Flüssigkeit darin. „Und du musstest sie auch noch heiraten! Es ist eine Schande, Tristan – ich hätte gedacht, dass du deine Gefühle besser im Griff hast. Ich dachte, du wärst vernünftiger, als dich von romantischen Vorstellungen hinreißen zu lassen.“
„Das habe ich nicht“, erklärte Tristan eisig. „Unsere Ehe hat nichts zu tun mit Gefühlen oder Romantik. Du hast recht, Lily ist tatsächlich schwanger, und ich tue meine Pflicht – ihr gegenüber und unserer alten, verrotteten noblen Familie gegenüber.“
Hinter dem Schreibtisch sah er die Augen seines Vaters triumphierend aufleuchten. „Sie hat dich absichtlich in die Falle gelockt“, meinte Juan Carlos barsch.
Tristan ging zur Tür und lachte genauso hohl, wie sich sein Herz anfühlte. „Ich glaube, sie ist diejenige, die in der Falle sitzt, oder nicht? Gefangen in einer lieblosen, sterilen Pflichtehe.“
„Wohl kaum“, widersprach Juan Carlos prompt. „Du bist ein Romero – der Marqués de …“
Tristan öffnete die Tür. „Genau“, sagte er mit bitterer Resignation. „Welcher halbwegs normale Mensch würde damit etwas zu tun haben wollen?“
„Sie haben ein sehr schönes Haus“, sagte Lily verlegen, während sie in dem kleinen Salon stand, der zu Allegras privaten Zimmern gehörte.
Die ältere Frau lächelte und trank noch einen Schluck Cava. „Danke. Ich hoffe, dass du es irgendwann auch als dein Zuhause betrachten wirst …“ Sie sprach nicht weiter und blickte sich um, als könne sie sich nicht erinnern, warum sie eigentlich hier waren.
Lily fragte sich das Gleiche. Allegra Montalvo y Romero de Losada war wunderschön, elegant und freundlich, aber sie war auch extrem betrunken. Die Tatsache, dass das nicht sofort offensichtlich gewesen war, ließ Lily zu dem Schluss kommen, dass Allegra diesen Zustand gewohnt sein musste. Erst jetzt bemerkte sie den großen Bluterguss auf ihrer Wange, den die dicke Schminke verdecken sollte.
„Ich glaube“, sagte Lily, „ich sollte jetzt wirklich wieder zurückgehen. Tristan wird sich schon fragen, wo ich bleibe.“
„Warte! Du darfst erst gehen, wenn ich dir das gegeben habe, weswegen ich dich hergebracht habe“, sagte Allegra und verschwand im Schlafzimmer, nur um kurz darauf mit einem großen, schmalen Etui und einem erneut gefüllten Glas zurückzukehren. Lily betrachtete Letzteres besorgt. Tristans Mutter hatte offenbar überall heimliche Alkoholvorräte versteckt.
„Hier!“, sagte Allegra triumphierend. Sie stellte das Etui auf einen niedrigen Tisch und setzte sich auf das Sofa daneben. „Öffne es.“
Zögernd legte Lily die Hand an den Verschluss, und als sie ihn öffnete, kam sie sich vor wie einer jener Schatzsucher aus den Kindercomics, der eine Truhe öffnet und dessen Gesicht von dem goldenen Glanz darin beschienen wird. Auf schwarzem Samt lag ein funkelndes Collier aus Rubinen und Diamanten.
Allegra beobachtete ihr Gesicht. „Du bist jetzt eine Romero“, sagte sie leise und klang plötzlich stocknüchtern. „Eine Romero-Braut, genau wie ich vor all den Jahren. Das hier sind die Romero-Juwelen, und jetzt sollst du sie bekommen.“
Lily hatte die Hand erschrocken über ihren Mund gelegt.
„Das kann ich nicht annehmen“, protestierte sie, doch Allegra stand leicht schwankend auf und griff nach der Kette.
„Aber du hast doch schon meinen Sohn genommen, und obwohl er das nicht glaubt, ist er doch so viel mehr wert als diese hier. Ich möchte dir die Kette anlegen.“
Die Steine fühlten sich kalt an auf Lilys nackter Haut, und Lily musste die Augen schließen, um die Übelkeit zu bekämpfen, die sie zu überwältigen drohte. Sie fühlte sich,
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