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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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verankert, gab es keine Welt da draußen. Keine Sorgen, keinen Stress. Keine Erinnerungen an das, was er verloren hatte.
    Nur diese Ehrfurcht gebietende Schönheit, die Einsamkeit, das Risiko. Das liebte er am meisten.
    Nichts brachte einem Menschen so intensiv zu Bewusstsein, dass er lebte, wie die unmittelbare Gefahr.
    Noch immer keuchend und schwitzend kletterte er hinunter, fand seinen Weg Zentimeter um Zentimeter, liebkoste den Granit, tastete ihn nach Schwächen und Instabilitäten ab.
    Einmal rutschte er aus und stürzte. Der Fels bröckelte unter seiner Hand, brach weg und prasselte ihm ins Gesicht.
    In dem Bruchteil der Sekunde, in dem er ohne Halt war, krampfte sich sein Magen zusammen, und sein Herz begann wild zu schlagen. Dann streckte er die Hand aus.
    Und fand Halt.
    Erleichtert lachte er auf und legte die Stirn an den kühlen Stein, während sein Puls sich wieder normalisierte.
    Dann wischte er sich den Schweiß von der Stirn und kletterte weiter. Je näher er zum Boden kam, desto schneller und sicherer wurde er. Er war fast da - weniger als neun Meter vom Ziel entfernt -, als sein Mobiltelefon klingelte.
    Er ließ sich am Seil zu Boden gleiten, fischte das Handy aus dem Rucksack und klappte es auf. Noch bevor er die Nummer sah, wusste er, dass es sich um einen Notfall handelte.
    * * *
    Die Nachricht von dem seltsamen Mädchen verbreitete sich wie ein Lauffeuer in Rain Valley. Bis neun Uhr Abends hatte sich bereits eine dichte Menschenmenge vor dem Kreiskrankenhaus versammelt. In der Wache lief das Telefon heiß, und Cal hatte alle Hände voll zu tun. Zu Ellies Überraschung hatte er sogar angeboten, Überstunden zu machen, während er sonst immer gleich nach Dienstschluss nach Hause eilte, um für seine Frau und seine Kinder Abendessen zu bereiten. Inzwischen wusste die Gerüchteküche von einem fliegenden Wolfskind zu berichten, das mit seinen Zauberkräften das Wetter beeinflussen konnte, und alle wollten an der Aufregung teilhaben. Morgen früh würden sich lange Warteschlangen vor dem Tierpark - der Olympic Game Farm bilden, denn natürlich mussten auch alle den gefangenen Wolfswelpen in Augenschein nehmen.
    Im Krankenhaus lag das Mädchen in einem schmalen Bett, mit Elektroden an Kopf und Brust. Ihr linkes Handgelenk war mit einem Lederriemen ans Bettgitter gefesselt, obwohl sie nach wie vor bewusstlos war und ganz sicher keine Gefahr für sich oder andere darstellte. Da diese Sicherheitsmaßnahme in den letzten zehn Jahren kein einziges Mal angewandt worden war, hatten die Schwestern eine halbe Ewigkeit im Lager nach den Fixiergurten suchen müssen.
    Ellie stand mit verschränkten Armen neben dem Bett, Peanut ganz in ihrer Nähe. Ausnahmsweise redeten sie nicht, und beide hatten sie ein schlechtes Gewissen, weil Earl sich draußen mit der Menge herumschlagen musste und sich Cal drinnen mit den ganzen Anrufern herumplagte. Aber sie mussten delegieren. Ellie wartete auf den Arzt, mit dem sie dringend sprechen musste, und Peanut ... nun, Peanut war fest entschlossen, sich nicht das kleinste Detail des Dramas entgehen zu lassen. Seit das Mädchen aufgetaucht war, war sie nur einmal für ein halbes Stündchen zu Hause gewesen, um ihren Lieben das Abendessen zu bringen. Ihre Tochter Cara passte jetzt auf Cals Kinder auf.
    Dr. Max Cerrasin untersuchte das Mädchen. Ab und zu murmelte er leise vor sich hin, ansonsten herrschte Totenstille.
    So ernst hatte Ellie ihn noch nie erlebt. In den sechs Jahren, die er jetzt schon in Rain Valley lebte, hatte Max sich eine gewisse Reputation erworben - und das nicht nur aufgrund seiner medizinischen Fähigkeiten. Ellie erinnerte sich noch gut, wie er hier eingezogen war. Er hatte Doc Fischers Praxis übernommen und sich auf einem Seegrundstück vor der Stadt niedergelassen. Unter den alleinstehenden Frauen war sofort große Nervosität ausgebrochen, denn jedes weibliche Wesen zwischen zwanzig und sechzig - Ellie eingeschlossen - fühlte sich zu ihm hingezogen. Eine nach der anderen war mit einem selbst gemachten Eintopf vor seiner Tür erschienen.
    Danach warteten alle ungeduldig, welche von ihnen er erwählen würde.
    Sie warteten und warteten.
    Im Laufe der Zeit war er mit einer ganzen Reihe von ihnen ausgegangen und hatte sich mit allen angefreundet, doch keine konnte ihn wirklich für sich beanspruchen. Zwar flirtete er für sein Leben gern, aber er verteilte seine Aufmerksamkeit gleichmäßig.
    Nicht einmal Ellie war es gelungen, ihn in sich verliebt zu

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