Wohin du auch fliehst - Thriller
war, kann er jetzt nicht in Lancaster sein.«
»Haben Sie eine einstweilige Verfügung oder so was?«
»Nein.«
»Wissen Sie, ob er sich als Bewährungsauflage von Ihnen fernhalten muss?«
»Ich glaube nicht.«
»Gut. Er hat sich aber als ein anderer ausgegeben?«
»Ja – er hat Bewerbungsunterlagen eingereicht, die er natürlich gefälscht haben kann. Darin hat er angegeben, dass er die vergangenen zwei Jahre in Spanien gearbeitet hat.«
Eine lange Pause entstand. Ich sah auf die Uhr – noch fünf Minuten, dann musste ich wieder zurück ins Büro.
»Hat er Ihnen gedroht?«
»Was, während des Bewerbungsgesprächs? Nein«, sagte ich.
»Hat er Ihnen irgendwie zu verstehen gegeben, dass er Sie erkannt hat oder dass er nicht war, wer er vorgab zu sein?«
»Nein, er hat seine Rolle perfekt gespielt.«
Ich ging der Frage so gut es ging aus dem Weg. »Das hat er schon immer so gemacht. Er hat es schon immer genossen, einfach so aufzutauchen und mich zu erschrecken. Er hat mich ständig beim Einkaufen beobachtet. Wenn er fand, ich hätte zu lange dafür gebraucht, schlug er mich, wenn ich nach Hause kam. Er liebte psychologische Spielchen, und ich weiß, dass er liebend gern bei mir im Büro aufkreuzen würde, nur um meine Reaktion zu testen.«
Wieder entstand eine lange Pause. Ich fragte mich, ob sie das alles notierte.
»Gut. Kann ich Sie unter dieser Nummer zurückrufen?«
»Ich muss jetzt zurück zu meinen Bewerbungsgesprächen, die dauern bis kurz nach fünf, aber meine Mailbox ist an.«
»Ich kümmere mich darum und rufe Sie zurück.«
Ich betrat erneut das Gebäude und ging auf die Damentoilette. Ich wusch mir die Hände und warf einen Blick in den Spiegel. Ich sah um einiges besser aus, als ich mich fühlte. Meine Haare wuchsen, ich hatte sie soeben zu einem akkuraten Bob schneiden lassen. Die Spitzen umspielten meine Wangenknochen. Ich war blass und wirkte ein wenig müde, die dunkle, pflaumenfarbene Jacke verlieh meinem Teint einen leichten Grünstich, doch das würde ich auch mit ein wenig Puder nicht in den Griff kriegen.
Caroline saß schon im Bewerbungsraum. »Bereit für Runde drei?«
»Klar.«
»Alles in Ordnung?« Sie klang besorgt, so als merkte sie, dass mit mir etwas nicht stimmte.
»Ja«, sagte ich. »Ich habe nur schreckliche Kopfschmerzen von der ganzen Konzentration und so.«
»Oh«, sagte sie. »Als ich den letzten Bewerber reingeführt habe – diesen Newell –, sahst du aus, als hättest du ein Gespenst gesehen. Ich dachte schon, du würdest umkippen.«
Jetzt war ich an der Reihe, die Kandidaten zu holen. Ich schenkte ihr ein Lächeln, das hoffentlich fröhlich genug war, um sie zu beruhigen, ging hinunter und holte den nächsten Bewerber hoch.
Als das letzte Bewerbungsgespräch vorbei war, machten Caroline und ich eine kurze Pause, bevor wir uns über die Bewerber austauschen und entscheiden wollten, wen wir nehmen und wen wir ablehnen würden.
Ich ging nach draußen, um ein wenig frische Luft zu schnappen. Ich hatte nach wie vor hämmernde Kopfschmerzen. Die Tabletten hatten kein bisschen gewirkt. Ich machte mein Handy an und wartete, bis mir ein Piepton signalisierte, dass ich eine Nachricht hatte. Ich hörte meine Mailbox ab.
Ja, das ist eine Nachricht für Cathy Bailey. Hier spricht Sandra Lloyd vom Camden PPU. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass ich mich mit Lancaster in Verbindung gesetzt habe. Dort wird man jemanden losschicken, um Mr Brightman zu kontrollieren. Bisher habe ich noch nichts gehört, aber ich melde mich, sobald ich eine Antwort habe. Alles klar, danke, tschüs.
Ich wusste, dass das keinen Sinn hatte. Bis dahin würde er es problemlos zurück nach Lancaster schaffen.
Während ich langsam über den Parkplatz lief, die Sonne genoss und mich fragte, wann Stuart von der Arbeit nach Hause kommen würde, klingelte mein Handy. »Hallo?«
»Cathy? Hier spricht DC Lloyd. Haben Sie meine Nachricht erhalten?
»Ja, danke. Haben Sie schon was gehört?«
»Lancaster hat mich gerade zurückgerufen. Sie haben seine Wohnung überprüft, er ist nicht da. Die Frau, mit der ich gesprochen habe, hat gesagt, sie hätte ihn gestern gesehen, von einer Fahrt nach London habe er nichts erwähnt. Sind Sie sicher, dass er es war?«
Wie sollte ich darauf antworten? Nein, ich war mir nicht sicher, aber ich war auch nicht verrückt. Ich bildete mir das nicht ein.
»Nein, hundertprozentig bin ich mir nicht sicher.«
»Ich halte das für äußerst unwahrscheinlich –
Weitere Kostenlose Bücher