Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition)
möglich« bewunderte, obwohl sie auch über eine derart »königliche Platzverschwendung« schockiert war.
Das Bildnis Hermines war das dominierende Gemälde im sechsten Raum der Ausstellung, in dem auch das Porträt eines anonymen Mädchens und zwei Landschaften zu sehen waren. Diese Bilder waren wegen ihrer »Farbharmonie« zusammengehängt, hatten jedoch jeweils eine Wand für sich. Ein Foto des Bildnisses von Hermine zeigt es im elegantesten Arrangement, das je dafür geschaffen wurde: Es ist von einem schlichten dünnen, vergoldeten Rundstabrahmen umfasst, zudem von zwei Würfelfauteuils Mosers und der grau-goldenen Bodenleiste; so wurde die ganze Wand zum Außenrahmen.
Das Bild konnte es mit der anderen Frau in Weiß Klimts nicht aufnehmen, der neunzehnjährigen Gertrud Loew, die nicht nur viel jünger und hübscher, sondern auch von Klimt in einem ungewöhnlich schmalen Format gemalt worden war. Noch auffälliger war das Porträt von Emilie Flöge, und zwar wegen ihres außergewöhnlichen blau-goldenen Kleides und ihrer bemerkenswerten Schönheit, die Klimt nicht übertrieb. Die 29-jährige Flöge war bloß vier Jahre jünger als Hermine, sah aber aus, als gehöre sie einer anderen Generation an. Klimt malte sie auch einfallsreicher: Er setzte ihren Kopf vor eine Art Aureole aus Blumen und schuf so den ersten seiner überaus dekorativen, exotischen Hintergründe und eines seiner geschmeidigsten, verführerischsten Bildnisse. Die erste Reaktion der lokalen Kritik erschien in den Wiener Morgenzeitungen, noch bevor Hermine und Moriz die Privatbesichtigung besucht hatten. Der eifrigste Anwalt der Secession, Ludwig Hevesi, lobte die neuen Porträts wegen »all dem Zauber von blühender Zartheit, der nur ihm eigen«; Berta Zuckerkandl schrieb Klimt zu, er habe den »sublimirten Extract des modernen Frauentypus« eingefangen.
Die Privatbesichtigung war die erste Gelegenheit für die Gallias, sich anzusehen, wie Hermines Bildnis statt auf der Staffelei in Klimts Atelier nun gerahmt, gehängt und arrangiert wirkte. Sie bildete für sie auch die erste Möglichkeit, das Gemälde mit den anderen neuen Porträts Klimts zu vergleichen, so wie jeder, der Hermine sah, sie damit vergleichen würde, wie sie an diesem Tag aussah. Ich nehme an, dass der wortkarge, beinahe einsiedlerische Klimt sich zu ihnen gesellte und ihnen erklärte, welche Änderungen er noch am Bild anzubringen gedenke. Wegen ihrer engen Freundschaft werden sie mit Carl Moll mehr Zeit verbracht haben. Bei der Begegnung mit Koloman Moser und Josef Hoffmann werden Hermine und Moriz ihnen dazu gratuliert haben, so spektakuläre Interieurs geschaffen zu haben. Und ebenso werden sie auch Hermann Bahr beglückwünscht haben, der eben sein erstes Buch über Klimt veröffentlicht hatte, in dem er die herkömmliche Kultur ebenso geißelte, wie er sich zum Fürsprecher Klimts machte: Er bezeichnete ihn als den einzigen Österreicher, der auf eine Stufe mit den besten europäischen Malern zu stellen sei, als den Letzten in einer langen Reihe österreichischer Schriftsteller, Komponisten und Künstler, die von einer engstirnigen, intoleranten Gesellschaft an den Pranger gestellt würden. Es hatte mit ihrer Bewunderung Klimts – und ihrer Investition in ihn – zu tun, dass Hermine und Moriz außer dem Ausstellungskatalog auch ein Exemplar des Bahr-Buches kauften.
Damit hatten ihre Aktivitäten bei der Klimt-Kollektive aber noch kein Ende; diese war, obwohl die Secession betonte, Ausstellungen würden nur auf der Grundlage rein künstlerischer Überlegungen veranstaltet, natürlich auch ein kommerzielles Unternehmen. Die Geschäftsbedingungen der Künstlergemeinschaft waren sehr vorteilhaft für die Mitglieder; so standen Klimt neunzig Prozent des Verkaufspreises zu. Sechzehn seiner Gemälde standen zum Verkauf, darunter zwei der kontroversiellsten. Das eine war »Pallas Athene«, erstmals bei der zweiten Secessionsausstellung 1898 gezeigt und damals als schockierend empfunden; niemals zuvor hatte jemand die griechische Göttin als grauenerregende Kriegerin dargestellt. Das andere Bild war »Goldfische«, ein Bild dreier junger, nackter Frauen, dominiert von einer, die mit offenkundigem Vergnügen ihr üppiges Hinterteil präsentiert; ein Kritiker bezeichnete es 1902 als »ein Produkt perversesten Geschmackes und geistloser Farbenspielerei«.
Die Privatbesichtigung war der wichtigste Tag für den Verkauf; da eilten Sammler in die Secession, um sich etwas
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