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Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition)

Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition)

Titel: Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Bonyhady
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junge Flüchtlinge zum Kommunismus hingezogen, dieser schien das Gegenteil des Faschismus zu verkörpern. Als seine Familie aus den östlichen Vororten von Sydney an den westlichen Stadtrand zog, wurde sein Weltbild von einem weiteren Österreicher, einem Sozialdemokraten mit einer riesigen Bibliothek, neu geprägt. Nachdem er Treffen der Jugendvereinigung der australischen KP besucht hatte, trat Eric der Partei bei. Er hatte unterdessen seinen Glauben an den Judaismus verloren; obwohl er nur ein Jahr lang Parteimitglied blieb, kehrte dieser Glaube auch nicht wieder. Als er Anne kennenlernte, war er Agnostiker, vermied aber einen Konflikt mit seinem Vater, indem er das Pessachfest einhielt und in die Synagoge ging.

Die Bonyhadys: oben Eric, darunter sein Bruder Fred, links Mutter Edith, rechts Vater Edward. Aufgenommen um 1944 in Sydney von der wichtigsten immigrierten Fotografin, Margaret Michaelis. 6
    In der Familie Bonyhady war die Tradition der Religionsausübung weit stärker als bei den Herschmanns oder den Jacobis. Sie waren stolz darauf, von Meir (oder Mordechai) Tosk abzustammen, einem Dajan oder rabbinischen Richter in Pressburg, dessen Porträt im Haus der Bonyhadys hing. Salomon Bonyhady, der das Ledergeschäft der Familie begründet hatte, ging jeden Morgen in die Synagoge und bekleidete in der Grazer jüdischen Gemeinde wiederholt wichtigere Funktionen, bis er Präsident der Chewra Kadischa, der jüdischen Bestattungsgesellschaft, sowie Mitglied des Ausschusses der Israelitischen Kultusgemeinde wurde. In Eduards letzten drei Monaten in Graz nach seiner Entlassung aus Dachau war er Präsident der Kultusgemeinde. In Sydney war Edward, wie er nun nach einem weiteren Namenswechsel hieß, Mitglied der Zentralsynagoge. Mit Edith trat er auch der Ortsgruppe der jüdischen humanitären Organisation B’nai Brith bei und besuchte regelmäßig die Treffen. Sie führten einen koscheren Haushalt und hatten immer eine Mesusa an der Eingangstür hängen, eine symbolische Segnung des Hauses und ein Hinweis darauf, welchem Glauben sie anhingen.
    Das alles machte Eric und Anne einander sehr ähnlich, gleichzeitig aber auch verschieden. Sie kamen beide aus Österreich. Sie waren beide von jüdischer Herkunft. Die Bonyhadys waren nicht nur wie die Herschmanns im Lederhandel beschäftigt gewesen, sondern hatten mit ihnen auch Geschäftsbeziehungen unterhalten. Anne und Eric waren im Abstand von sechs Monaten nach Australien gekommen. Wie Eric war Anne Agnostikerin, wenn nicht Atheistin. Doch Anne hatte sich an der Universität einen weiten geistigen Horizont erworben und geistige Leistungen erbracht, Erics Bemühungen um Bildung aber waren behindert worden. Gretl und Kathe hatten zwar bei ihrer Flucht aus Österreich ein beträchtliches Vermögen verloren, für Eric aber waren sie immer noch reich. Anne wusste beinahe nichts über den jüdischen Glauben, Eric war getränkt darin. Sie wollte ihre jüdische Vergangenheit unbedingt begraben, Eric blieb ihr verbunden.
    Sie lernten einander 1945 kennen, als Anne ihre Lehrerinnenausbildung absolvierte und Eric als Bauzeichner arbeitete und gleichzeitig abends an einer technischen Fachschule eine Ausbildung zum Ingenieur absolvierte. Der Anlass war eine Party zum 21. Geburtstag der Mitschülerin Annes in St. Vincent, die ebenfalls aus Wien geflohen war. Als Eric sie anrief, nachdem sie von einer Ferienwoche auf dem Land zurückgekehrt war, war Anne ihren eigenen Worten nach neugierig. In der Woche darauf ging er mit ihr aus, und sie war froh, dass »sich wenigstens irgend etwas rührt«, erfreut, dass er sich für sie interessierte, auch wenn sie sich nicht sicher war, dass sie sein Interesse erwiderte.
    Es war der erste Ausgang von vielen, die nun regelmäßig jede Woche stattfanden. Nachdem sie in der Maccabean Hall ein von der Ortsgruppe der Internationalen Zionistischen Frauenvereinigung veranstaltetes Kabarett besucht hatten, notierte Anne, wie sehr sie Eric mochte. Nach einem Abend im Ballett begleitete er sie zum ersten Mal heim nach Cremorne. An einem anderen Ballettabend trafen sie Annes Freundin Gerty Angel, die Anne warnte, Erics Vater sei sehr herrschsüchtig. Trotzdem war Anne entsetzt, als sie zu Besuch zu seiner Familie in Bankstown kam, wie dominant sein Vater und wie unterwürfig seine Mutter war. Unter ihren Freunden waren zwar etliche Juden, die ihren Glauben beibehalten hatten, Edwards Religiosität aber stieß sie ab. Sie beschrieb ihn als »begeisterten

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