Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition)
Guido und Nelly Hamburger, die noch wenige oder gar keine Möbel besaßen, sehr wohl aber für ein seit langem verheiratetes Paar wie Moriz und Hermine, die ihre Wohnung in der Schleifmühlgasse mit beträchtlichen Kosten eingerichtet hatten. Bei der Planung der neuen Wohnung mussten sie sich nun entscheiden, ob sie ihre alten Sachen weggeben oder behalten sollten. Sie wollten eine imposante, zeitgemäße Wohnung, gleichzeitig aber auch nicht verschwenden, was sie erworben hatten. Also brachten sie ihre besten Biedermeier-Sachen im kleineren der beiden Salons in der Wohllebengasse unter. Damit schufen sie einen etwas unbeholfenen Kontrast zu den fünf anderen straßenseitigen Räumen, in denen Hoffmann für alle Möbel und Ausstattungselemente – abgesehen vom Steinway-Flügel – zuständig war und alles, was er entwarf – außer einem Teppich und einigen Tapeten –, ein Einzelstück war.
Die Opulenz von Hoffmanns Arbeit für Moriz und Hermine stand in deutlichem Kontrast zu seinen Entwürfen für Guido und Nelly. Das Wohnzimmer in der Wohllebengasse hatte florale Wandbespannungen und schwarz gebeizte Möbel mit roter Maroquinlederpolsterung. Der Salon war gelb gestrichen, die Möbel waren aus Obstbaumholz mit schwarzweißer Polsterung, das Boudoir hatte eine blaue Seidenwandbespannung, verziert mit roten und grünen Rosenknospen, und weiß-goldene Möbel, wieder rot gepolstert. Das Raucherzimmer war über einem breiten hölzernen Fries mit floraler Bespannung weiß gestrichen und hatte schwarz gebeizte Möbel mit grüner Wollstoffpolsterung. Der Speiseraum kombinierte weiße Wände mit einem Wandbrunnen aus schwarzem Marmor, einem schwarzen Marmorbuffet, schwarzem Marmorsockel, schwarzen Marmorarchitraven und Walnussholzmöbeln. Für jeden Raum gab es einen unterschiedlichen Teppich – im Esszimmer, Salon und Speisezimmer auf dem schönen Parkettboden, in Boudoir und Raucherzimmer als Spannteppich.
Die Bilder der Familie waren essenziell für dieses Schema. Der Direktor des Kunsthistorischen Museums, Gustav Glück, sprach für viele von Klimts Mäzenen, als er erklärte, Klimts Gemälde benötigten eine ganz besondere Umgebung, und Hoffmann sei derjenige Architekt, der sie am besten wirken lasse. In der Wohllebengasse allerdings gelang ihm dies nicht, seine Anordnung der Bilder konnte es mit Koloman Mosers Gestaltung der Klimt-Kollektive in der Secession ein Jahrzehnt zuvor nicht aufnehmen. Hoffmann quetschte das Landschaftsbild mit dem Buchenwald in den Salon über einen marmorgesäumten Heizkörper mit Gitterverkleidung, Hermines Porträt plazierte er in ihrem Boudoir neben das Andri-Bild von Moriz, eine zwar offensichtliche, aber missglückte Paarung, da die Bilder so verschieden waren.
Salon in der Wohnung Gallia. Klimts »Buchenwald« ist an der linken Wand zu sehen. Auf einem Tischchen »Nordpol«, das spektakulärste Porzellan-Ensemble der Gallias, hergestellt von Royal Copenhagen.
Der Beginn einer »Handelskrise« tat der Spendierfreude der Gallias keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil, Hermine erwarb immer mehr Sachen, darunter ihr auffälligstes Stück Glas – eine rot-weiße Schüssel des Hoffmann-Schülers Carl Witzmann – und drei neue Blumenständer von Hoffmann selbst, die mit den zwei glockenförmigen Vasen von 1911 eine Garnitur bildeten, ihr auffälligstes Silberensemble an der Wand ihres neuen Speisezimmers. Als er in diesem August aus Wien an Hermine in Altaussee schrieb, war Moriz’ einzige Sorge, dass die Differenz zwischen dem Kostenvoranschlag für die Wohnung und der Rechnung von Jakob Soulek, der die meisten Hoffmann-Möbel anfertigte, so groß war. Der kahlköpfige Moriz meinte, die Haare seien ihm zu Berge gestanden, als er Souleks Rechnung erstmals zu Gesicht bekam. Wenn er sie nicht beeinspruchte, da war Moriz sich sicher, würde er doppelt so viel zu zahlen haben wie angenommen.
Durch diese Räume waren nun Moriz und Hermine dort, wo sie sein wollten: in der Avantgarde der Mode. Wie Hoffmanns andere größere Aufträge aus jener Epoche erregte die Gallia-Wohnung sofort Interesse in fashionablen Designerkreisen in Österreich und Deutschland. Während die Möbel angefertigt wurden, veröffentlichte die führende österreichische Zeitschrift für Inneneinrichtung,
Das Interieur
, sechs Entwurfzeichnungen Hoffmanns für die Räume. Nach der Fertigstellung brachten die deutschen Zeitschriften
Innendekoration
und
Deutsche Kunst und Dekoration
Fotos, ebenso von einem der neuen
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