Wolf inside (German Edition)
bei meinem Vater an, er wollte alles über ihn wissen.
„ Wie ist dein Vater so?“
„ Der Captain? Hm, er ist streng, aber gerecht. Er verlangt von niemandem mehr, als von sich selbst. Und er kann Angeber nicht leiden.“
Das stimmte. Ich erinnerte mich an eine Geschichte, da war ich so zwölf oder dreizehn. Wir beide wollten campen, in irgend so einem Nationalpark. Ich war damals bei den Pfadfindern. Dort hatten wir gelernt, Spuren zu lesen, wie wir uns verhalten sollten, wenn wir uns verlaufen, all so ’n Zeug. Ich war zu der Zeit ein vorlautes Früchtchen, nervig wahrscheinlich.
Während der ganzen Fahrt plapperte ich in einer Tour, wie schlau ich doch eigentlich sei, was für Tiere ich verfolgen würde, ein indianischer Fährtenleser war ein Witz gegen mich, Shane McBride, Superduperfährtenleser! Ich gab mit meinem mickrigen Pfadfinderwissen an, wie mit ’ner Tüte Mücken. Wahrscheinlich litt ich an hormonellem Größenwahn.
Mein Dad hörte sich das ungefähr zweihundert Meilen an. Als wir in dem Park ankamen, es war schon fast dunkel, hielt er mitten in der Botanik an. ‚So mein Sohn’, sagte er dann. ‚Raus. Wenn du so schlau bist, dann findest du sicherlich auch dein Zelt.’ Er drückte mir eine Taschenlampe und einen Kompass in die Hand, zeigte in die ungefähre Richtung, nannte mir ein paar Koordinaten, und ließ mich Mutterseelen allein im Dunkeln stehen.
Zuerst dachte ich noch, es sei ein Scherz und wartete, dass er wieder zurückkehrte. Aber er kam nicht. Ich hockte da, einsam und verlassen und haderte mit meinem Schicksal. Sah mich schon gefressen von wilden Tieren. Verdrückte sicherlich auch ein oder zwei Tränen. Doch irgendwann packte mich die Wut, ich marschierte los.
Ich hatte einen Kompass, Koordinaten und Licht. Nach zwei unheimlichen Meilen durch den dunklen Wald, über Stock und Stein, bösen Schürfwunden und einem verstauchten Knöchel später, traf ich bei unserem Zelt ein. Dad saß am Lagerfeuer und nickte nur, als ich völlig fertig auftauchte.
Erst Jahre später, ich war schon bei der Polizei, erzählte er mir, dass er drauf und dran war, die Parkrangers um Hilfe zu bitten, und mich suchen zu lassen. Mom haben wir diese Geschichte übrigens niemals erzählt. Sie hätte meinen Vater gevierteilt! Heute konnte ich über diese Geschichte immer noch nicht so richtig lachen.
Ich schreckte aus der Vergangenheit auf, streckte mich und sah zu meinem Beifahrer. Sandro hatte aus seiner Jacke ein Kissen geknüllt und schlief. Ich beneidete ihn.
*
Als wir auf das alte Blockhaus zufuhren, konnte ich meinen Vater, Pat McBride schon vorne an der Treppe stehen sehen. Er stand da, hielt sich gerade wie ein Standbild. Er war fast so groß wie ich, hatte immer noch eine für sein Alter gut durchtrainierte Figur. Auch wenn er die letzten Jahre vor der Pension hauptsächlich einen Schreibtischjob gemacht hatte. Seine kurz geschnittenen rötlichen Haare schimmerten in der Spätsommersonne. Zum Glück war ich blond, wie Mom.
Wie meistens trug er ein einfarbiges Hemd, heute in dezent blau, dazu noch eine seiner Freizeithosen. In Beige. Selbst in diesen alltäglichen Klamotten sah er immer noch wie ein typischer Bulle aus. Er konnte es nicht einfach ablegen. Richtig leger zog er sich nur zum Angeln oder zum Jagen an.
Die Zeiten, in denen er den Charger gefahren war, waren lange vorbei. Damals war er noch ein schottischer Hitzkopf gewesen. Doch mit jedem weiteren Dienstgrad, den er erreichte, wurde er strenger, unnachgiebiger, verlangte immer mehr Disziplin. Von sich und von mir. Vor allem von mir. Nur Mom gegen über war er weich und nachgiebig gewesen.
Er stand da, die Hände in den Taschen, zwischen den Lippen einen Zigarrenstummel, der munter vor sich hin qualmte. Kaum verließ er das Haus, stopfte er sich eine Zigarre zwischen die Zähne. Im Haus selbst rauchte er niemals.
Man hätte meinen können, jetzt, wo Mom tot war, würde er es tun, schließlich war sie niemals hier gewesen, aber nein, er tat es nicht. ‚Sie hat es nicht gerne gehabt, sie mochte den Geruch nicht, fand, dass es die Gardinen ruiniert. Und nur weil sie nicht mehr da ist, werde ich nicht damit anfangen, sie zu ärgern.’
Bevor Sandro und ich uns aus dem Wagen quälten, zog ich den Ring vom Finger und schob ihn in die Hosentasche. Als wir uns müde streckten, hob Dad nur eine Braue. Er musterte mich, ich wusste, er registrierte meine Frisur, meine ausgefranste Jeans, die Boots, die ihm schon immer ein Dorn im
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