Wolf inside (German Edition)
das Glas und trank, alles auf einmal, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Dann holte ich tief Luft, gut, er war noch da! Für einen winzigen Moment hatte ich echt befürchtet, Halluzinationen zu haben.
Mein Gegenüber lächelte. Ein winziges Grübchen erschien in seiner Wange, ich hätte so wahnsinnig gerne hinein gekniffen.
Er hielt mir seine kleine, zarte Hand hin. „Hallo, ich bin James. Du kannst Jamie zu mir sagen.“ Eine Stimme, weich wie Seide, sie schlang sich förmlich um mich herum und schlug mich in ihren Bann. Hätte diese Stimme von mir verlangt den Mond zu holen, ich wäre auf der Stelle losgezogen!
Vorsichtig, um die Hand nicht zu zerbrechen, ergriff ich sie, sie verschwand fast in meiner Pranke.
„ Äh, hallo, Jamie“, krächzte ich.
„ Oh, was hat Jose mit dir gemacht?“ Mit der anderen Hand strich er über meine Wange, ganz leicht nur, mir stellten sich vor Wohlbehagen die Nackenhärchen auf, Schauer der Lust überrannten mich.
„ Komm, ich setz mich zu dir.“ Das Schätzchen hier tat im Grunde nichts anderes als der Rotschopf, flirtete mit mir, grub mich schamlos an, ging mir ungehemmt an die Wäsche.
Und diesmal, diesmal schmolz ich dahin. Ich ließ mich in die Polster sinken und lächelte zufrieden. So sollten sie sein, meine Jungs. Willig, weich, anschmiegsam. Sein Händchen verschwand unter meinem Pulli, oh ja, ich würde die Dinge, die sich da anbahnten, in vollen Zügen genießen!
Jamie kam mir noch näher, brachte sein Gesicht ganz nah an meins, ich konnte die goldenen Pünktchen in seinen schönen Augen tanzen sehen. Er bannte meinen Blick, ich konnte nichts dagegen tun, wollte es auch gar nicht, noch niemals hatte ich schönere Augen gesehen. Mir wurde vor Verzückung ganz schwindelig.
„ Oh, schön, du bist ein Mörder!“, hauchte er entzückt.
Mir wurde abwechselnd heiß und kalt.
„ Das ist doch nicht schlimm, ich mag Mörder. Und du, du hast es ja nicht einfach so getan, nein, du hast aus Rache gemordet.“ Er strich wieder über mein Gesicht. „Das finde ich richtig süß.“
Ich hätte gerne diese Hand aus meinem Gesicht entfernt, wäre gerne gegangen, doch ich konnte mich nicht rühren. So sehr ich es auch wollte, es ging nicht. Was zur Hölle ging hier vor sich?
„ Ach mein Schatz, du willst wissen, was hier los ist?“
Jamie lachte perlend. Und entließ mich aus seinem bannenden Blick. Ich fuhr zurück, brachte ordentlich Platz zwischen uns. Mit einem Mal fand ich ihn nicht mehr so sympathisch.
„ Was, verdammt noch mal, soll das werden? Ich habe niemanden umgebracht“, krächzte ich.
„ Nein?“ Jamie runzelte die Stirn und zog einen kleinen Flunsch. „Und was ist das?“
Vor meinen Augen tauchten die bekannten Bilder und Erinnerungen auf. Zuerst die aus der Bank, ich sah Mikk sterben, den Räuber entkommen, sah mich, wie ich hinterher jagte. Dann wechselte es.
Die düsteren, bösen Erinnerungen kamen hoch.
Die Wahrheit. Meine Wahrheit.
„ Komm, Shane, Darling, wehr dich nicht dagegen, zeig mir deine Wahrheit, lass mich alles sehen“, lockte Jamie leise, er gurrte, wickelte mich ein mit dieser seidigen Stimme.
Und ich, ich wollte nichts lieber, als ihm zu Willen sein. Also gehorchte ich, verlor mich endgültig in der Vergangenheit.
Bis ich die Visage des verdammten Kerls nicht mehr in meinen Träumen sah, dauerte es lange. Sehr lange. Sein Gesicht hätte ich zu jeder Tages- und Nachtzeit zeichnen können. Immer noch.
Die Bilder wurden wieder zur erbarmungslosen Realität.
Es ist der fünfundzwanzigste März, siebzehn Uhr fünfunddreißig. Ein Dienstag. Ein paar einzelne Schneeflocken fallen, es ist kalt. Zu kalt für diese Jahreszeit.
Der Räuber ist noch jung, höchstens zwanzig, dunkelhäutig. Kurze Rastalocken, über den ganzen Kopf. Und er ist voll auf Crack. Seine Hände halten die Waffe, sie zittern wie Lämmerschwänze. Er feuert, während ich auf ihn zukomme, doch er verfehlt mich. Eine Kugel sirrt an meinem Kopf vorbei, schlägt in der Wand ein. Er schießt noch mal. Wo diese Kugel landet, ich weiß es nicht. Ich zucke nicht einmal, gehe einfach weiter, wie ferngelenkt. Es ist mir egal, ob er mich trifft. Wenn, umso besser.
Immer näher komme ich dem Scheißkerl. In der Bank war er cool und abgebrüht, Crack verlieh ihm unschlagbare Macht. Aber jetzt, als ich ihn stelle, hier in der Sackgasse, zwischen stinkigen Müllcontainern und einem Haufen Eisenschrott, ist seine Stimmung umgeschlagen. Er ist jetzt nur noch ein Häufchen
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