Wolf inside (German Edition)
betreute, wohl ziemlich sinnvoll. Ich wusste, sie sah in Gummistiefel und Latzhose genauso gut aus, wie im kleinen Schwarzen. Jeder Mann im Umkreis von fünfzig Meilen hätte sie sofort mit Kusshand genommen.
Doch sie wollte nur einen ganz bestimmten.
Mich.
Leider konnte ich nur die kleine Schwester in ihr sehen.
Cruiz hielt sich gar nicht lange bei uns auf, nickte Dad zu und eilte die Stufen hinauf.
„ Gehen Sie durch, er liegt vor dem Kamin.“ Der Stummel deutete ihm die Richtung.
Ich wäre gerne gefolgt, wollte wissen, wie es Sandro ging, doch Bree hatte andere Pläne. Ihre kleine Hand lag auf meiner Brust, so hielt sie mich zurück.
„ Oh Shane, schön, dich mal wieder zu sehen. Bleibst du länger? Dann können wir heute Abend ja zusammen zum Tanz gehen. Du weißt schon, bei Abel in der Scheune.“
Ich wusste sofort, was sie meinte. Einmal im Jahr feierten die Bewohner der kleinen Stadt ihr schon legendäres Jagdsaison-Eröffnungsfest. Was als kleines privates Saufgelage von ein paar Jägern begonnen wurde, war inzwischen eine feste, sehr solide Veranstaltung, die alle Bürger gerne besuchten. Dass heute Montag war, ließ alle kalt. Am vierten Oktober wurde gefeiert. Punkt.
Von der Veranda kam schon der passende Kommentar. Ich hatte nur darauf gewartet.
„ Ja, Sohn. Du bleibst doch bis Morgen, oder? Um die jährliche Feier kommst du nicht herum. Du musst dich mal wieder amüsieren.“ Sagte der Feiermuffel!
Ohne mir meinen Unmut und die Ungeduld anmerken zu lassen, schob ich Bree vorsichtig zur Seite.
„ Wenn ich kann, treffen wir uns in Abels Scheune, versprochen. Doch erst will ich die Story von gestern hören. Da gibt es noch so ein oder zwei klitzekleine Details, die ich noch näher untersucht haben will.“
Cruiz war wieder auf der Veranda aufgetaucht, legte die Hände aufs Geländer und sprach mit Bree. „Doc, wie geht es ihm wirklich?“ Mir fiel auf, dass er mächtig besorgt aussah.
Bree sah zu ihm auf. „Von den Rippen sind ein paar gebrochen. Er muss zwei bis dreimal am Tag etwas gegen die Schmerzen bekommen. Er kann laufen, wenn er das will. Wenn nicht, müssen Sie ihn raus tragen. Ich habe ihn geröntgt, mit einem tragbaren Röntgengerät. Die Brüche sind nicht gefährlich, sie haben die Lunge nicht verletzt. Der Kleine hat nur Schmerzen und bekommt vielleicht schlecht Luft. Das ist alles. Ich sehe übermorgen wieder nach ihm, es sei denn, sein Zustand verschlechtert sich.“
Ich folgte diesem Gespräch etwas verwirrt. Sandro war verletzt? Aber wieso ließ Dad die Tierärztin nach dem Jungen sehen? Wahrscheinlich, gab ich mir die Antwort, weil der alte Doc aus der Stadt nicht mehr in der Lage war, hier herauszufahren. Und wahrscheinlich war Sandro zu schwach für einen Transport nach Hause.
Sie wandte sich wieder mir zu, Mitleid im Blick. „Das arme Tier hatte einen üblen Zusammenstoß, wir wissen nicht, mit was, aber es brach ihm ein paar Rippen.“
Das Tier? Wie, dem Tier? Mir fiel der Hund ein, den Sandro von Willie hatte. Ging es dem kleinen Köter schlecht? Hatte er etwa den Dämonenangriff nicht unverletzt überstanden? Ich sah mich um. Wo war Sandro überhaupt? Hoffentlich war er nicht auch verletzt. Wieder wünschte ich mir, meinen Instinkten gefolgt zu sein.
Endlich verabschiedete sich Bree, nicht, ohne mich noch mal an den Tanz am Abend zu erinnern. Ziemlich abwesend sah ich ihr nach, wie sie die Auffahrt hinunter rauschte.
Dann stapfte ich langsam die Treppe hinauf, ich musste mir jetzt selber ein Bild von der Situation machen.
Drin, im Wohnzimmer, vor dem Kamin, hockte Cruiz neben einer Wolldecke und streichelte ein Bündel anthrazitfarbenes Fell.
Ich trat neben ihn, schaute hinunter, dann sah ich suchend durch die untere Etage. Ich sah mehrere Einschusslöcher. In den Wänden, im Küchentresen, sogar in der Sofalehne. Ich zählte, es durften so um die zwanzig Löcher sein. Hier musste es ganz schön gerumst haben. Doch ich sah keinen Sandro. Auch der Couchtisch fehlte. „Wo ist denn der Junge?“
Der Hund sah etwas auf, als er meine Stimme hörte, und begann leise zu fiepen. Dann hob er den Kopf und ich schaute in hellbraune, grün gesprenkelte Augen.
Für einen Moment dachte ich echt, ich hätte ein Déjà-vu.
Schon wieder sah mich ein breiter Wolfsschädel an. Er war zwar viel kleiner als der von Fiffi, doch es war unverkennbar. Die lange, schmale Schnauze, die spitzen Zähne, die plüschigen Ohren, ich schätzte ihn auf ungefähr ein knappes Jahr.
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