Wolf inside (German Edition)
noch vor wenigen Sekunden nachgesehen hatte, lösten sich zwei Gestalten. Das Licht reichte nicht bis dahin, und so konnte ich noch nicht erkennen, um wen es sich handelte.
Ich trat an den vorderen Rand der Tanzfläche, stand ungefähr sechs Yards von Bree entfernt, die am hinteren Rand der Fläche drapiert war. Die Hände hielt ich leicht seitwärts, niemand sollte denken, ich käme auf dumme Gedanken. Was Cruiz tat, konnte ich nicht sehen, er war jetzt seitlich hinter mir, in der Box.
„ Sieh mal an. Wenn das nicht mein Schätzchen ist! Wo sind denn die ganzen Leute? So eine Feier macht doch gar keinen Spaß ohne Publikum.“ Sha`yla. Oder Jamie.
Es war Sha`yla. In einem knallengen türkisfarbenen Minikleid, die dunkelroten Haare kunstvoll aufgesteckt.
Shit, Shit, Shit.
Sie war viel zu früh, schoss es mir durch den Kopf, wir waren doch noch gar nicht richtig vorbereitet! Hinten im Hummer tummelten sich die teuersten, effektivsten Waffen, die es für Geld zu kaufen gab, und wir standen hier, mit … Nichts?
Eine zweite Frau, eine viel kleinere, erschien. Mit pechschwarzem langen Haar, es hing schwer und glänzend über ihren Rücken, bis zu Taille hinunter. Blutrote Lippen leuchteten in ihrem bleichen Gesicht. Sie trug ein schneeweißes, fast schon züchtiges langes Kleid und High Heels, mindestens fünfzehn Zentimeter hoch. Langsam schwebte sie über den Dielenboden, ohne zu stolpern oder zu straucheln.
Schneewittchen fiel mir ein.
Sie sah aus wie Schneewittchens Schwester, die böse Schwester, dem kalten Gesichtsausdruck nach zu urteilen. Ich betrachtete sie gründlich, und irgendetwas an ihr kam mir vertraut vor. Und als sie mir direkt ins Gesicht blickte und ich die quietschgrünen Augen sah, wusste ich es.
„ Victoria!“, entfuhr es mir. „Gott sei Dank!“ Wir hatten sie gefunden. Nur mit Mühe konnte ich mich daran hindern, mich zu Cruiz umzudrehen, ich wollte seinen Standort nicht verraten. Ich fühlte mich sehr erleichtert, sie war nicht in Raimondos Gewalt.
Thomas, der jetzt neben mir auftauchte, schien das nicht so zu sehen. Er fluchte. „Verdammt. Die Vollstreckerin!“, hörte ich ihn entsetzt rufen. „So ein Mist. Dieses Weib ist noch gefährlicher als Sha`yla!“
Ich glaubte, mich verhört zu haben. „Das ist Victoria, sie ist die, die ich suche“, flüsterte ich.
„ Nein. Das ist Vicky Lou, die Assassine der Dämonin.“ Er klang sehr bestimmt, so als wisse er es hundertprozentig.
Ich schwieg, denn da konnte doch nur ein Irrtum vorliegen.
Die beiden Ladys standen nun rechts und links von Bree, die immer noch auf ihre Tanzeinladung zu warten schien. So auf den ersten Blick hätte man meinen können, sie wären auf einer schicken Party. Fehlte nur noch der Champagner.
Victoria lächelte. Ein eiskaltes Lächeln auf blutroten Lippen, mir lief ein Schauer über den Rücken.
„ Victoria, was machen Sie hier? Ich dachte …“
„ Sie dachten, Raimondo hätte mich gefangen?“ Sie kam näher stolziert, mit wiegendem Schritt, ihr Kleid schwang um ihre Hüften, sie strahlte Sinnlichkeit und Sex aus. Ganz schön heiß, die Puppe, ich hörte, wie Thomas laut nach Luft japste. War die nicht eine Nummer zu groß für meine kleine Eule?
„ Gib dir keine Mühe, der gute Shane ist nicht an uns interessiert“, kam der lapidare Kommentar von Sha`yla.
Ich zuckte nur entschuldigend die Achseln. „Tut mir leid.“
Und vor meinen Augen wandelte sich die Dämonin in Jamie, er sah genauso aus wie in der Bar. „Das ist schon eher seine Kragenweite, nicht wahr, Süßer?“ Er lächelte mir zu, süß und unschuldig, sein Grübchen blitzte.
Jetzt war ich es, der nach Luft schnappte, ich konnte mich für einen Moment seiner Anziehung nicht erwehren. Ich trat einen Schritt zurück, und es hörte auf.
„ Victoria, wir haben Sie gesucht. Wir dachten, Raimondo wolle seinen Sohn haben, und …“
„ Raimondo hat mit der Sache hier nichts zu tun“, fiel sie mir ins Wort. „Das geht nur Sha`yla und mich an.“
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Cruiz an der linken Wand entlang schlich. Dort waren einige niedrige hölzerne Trennwände und Stützpfeiler, an denen bewegte er sich wieder einmal völlig geräuschlos vorbei, bis er im Rücken der Drei auftauchte. Er deutete auf Jamie, schüttelte den Kopf, ‚Der da? Im Ernst?’, schien sein missbilligender Blick zu sagen. Ich deutete ein leichtes Achselzucken an. Über Geschmack ließ sich ja bekanntlich streiten.
Victoria hatte mich jetzt erreicht
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