Wolf Shadow 01 - Wilks, E: Wolf Shadow 01
lange Strähne hatte sich aus Rachels Haarknoten gelöst. Sie strich sie sich hinters Ohr, beugte sich vor und schob die Hände zwischen die Knie. „Sie wollen wissen, wer es getan hat? Wer ihn getötet hat? Das kann ich Ihnen nicht sagen, aber Rule war es auf jeden Fall nicht.“
„Davon scheinen Sie ziemlich überzeugt zu sein.“
„Er hat doch nicht …“ Rachel musste innehalten und schlucken. „Ich könnte Ihnen jetzt sagen, dass er doch nicht mit mir im Club hätte scherzen und lachen können, wenn er gerade meinen Mann umgebracht hätte, aber das wäre für Sie einfach nur meine Meinung, nicht wahr? Und Sie würden es auch ganz normal finden, dass ich so etwas sage. Sonst wäre ich ja schuld an Carlos’ Tod. Aber das bin ich so oder so, nicht wahr?“
Lily schnürte es vor Mitleid die Kehle zusammen. „Warum sagen Sie das?“
„Ein Lupus hat Carlos getötet.“ Rachel sprang auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. „Rule war es nicht, aber es war ein Lupus, also muss es etwas mit Rule zu tun haben. Oder mit dem Club. Oder mit mir. Aber ich komme trotzdem nicht dahinter, sosehr ich mich auch anstrenge.“
„Sie denken ziemlich klar, würde ich sagen.“
Rachel sah Lily gekränkt an. „Ist das ein Kompliment oder ein Vorwurf? Vielleicht sollte ich völlig aufgelöst sein.“
„Wir trauern alle auf unterschiedliche Weise.“ Und Lily hatte keinen Zweifel daran, dass die junge Frau trauerte. „Besaß Ihr Mann eine Waffe, Ms. Fuentes?“
„Ja, er …“ Sie rieb sich die Stirn. „Haben Sie nicht gestern etwas von einer Waffe gesagt?“
„Habe ich.“ Aber da war Rachel überhaupt nicht aufnahmefähig gewesen. „Wir haben eine Waffe in der Nähe der Leiche gefunden. Wir überprüfen gerade die Seriennummer, aber Sie würden uns helfen, wenn Sie uns sagen könnten, was für eine Waffe Ihr Mann gehabt hat.“
„Eine Pistole. Eine Zweiundzwanziger.“
„Hat er sie oft bei sich gehabt?“
„Nein, aber wenn wir ins Hell gegangen sind, dann schon. Das ist ein gefährliches Viertel.“
Lily zog die Augenbrauen hoch. „Sie sind zusammen in den Club gegangen?“
„In … in letzter Zeit nicht.“ Sie blieb stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte nachdenklich zu Boden – oder in die Vergangenheit. „Ich werde Ihnen sagen, wie es passiert ist, wie Rule und ich zusammengekommen sind. Gern tue ich das nicht. Ich würde Ihnen lieber sagen, dass es Sie nichts angeht, aber ich will, dass Sie ihn fassen. Wer immer es getan hat, er soll dafür bezahlen.“
„Ihn zu fassen ist meine Aufgabe. Aber dass er für seine Tat bezahlt, dafür muss der Staatsanwalt sorgen.“
„Okay“, sagte Rachel, doch dann kam nichts mehr. Sie stand einfach nur regungslos da.
Lily versuchte, ihr den Einstieg zu erleichtern. „Sie haben Rule Turner im Club kennengelernt, nicht wahr?“ Wenigstens das hatte sie von Turner erfahren. Ansonsten hatte er nicht viel über seine Beziehung zu Rachel gesagt, aber dass er Carlos kannte, hatte er eingeräumt.
„Ja.“ Ein kleines trauriges Lächeln huschte über Rachels Gesicht. Ihr Blick wirkte leicht entrückt, als versinke sie in tröstliche Erinnerungen. „Ich hätte es nie für möglich gehalten. Die meisten Männer sind einfach gestrickt – wenn sich ihnen eine Gelegenheit zum Sex bietet, dann greifen sie zu. Aber Rule … Er könnte so ziemlich jede haben, und ich bin nichts Besonderes. Nicht hässlich, aber auch nicht schön. Doch er gab mir das Gefühl, schön zu sein.“
Der Stoff, aus dem die Träume sind, dachte Lily. „Sie haben sich in ihn verliebt.“
„Nicht so, wie Sie denken. Ich war vielleicht ein bisschen verknallt in ihn. Aber nicht ernstlich verliebt, genauso wenig wie er in mich.“ Rachel tauchte aus ihren Erinnerungen auf und sah Lily an. „Er mochte mich. Und er war sehr lieb zu mir, aber auf respektvolle Art, nicht aus Mitleid. Und er war nicht eifersüchtig, kein bisschen. Man könnte sagen, ihm ist in die Wiege gelegt worden, was Carlos immer wollte – oder zu wollen glaubte.“
„Was meinen Sie damit?“
Rachel kniff die Lippen zusammen. Ob aus Schmerz oder Wut oder aus einer Mischung aus beiden, konnte Lily nicht einschätzen. „Sie haben sich bestimmt schon gedacht, dass Carlos und ich keine Bilderbuchehe geführt haben. Es war eher eine Achterbahnfahrt. Entweder lief es richtig gut oder richtig schlecht. Er konnte eine ganze Weile lang supersüß sein, aber dann flippte er wieder aus, und ich war
Weitere Kostenlose Bücher