Wolf Shadow 01 - Wilks, E: Wolf Shadow 01
„Jetzt erinnere ich mich wieder! Er hatte eine Katze!“
Darüber musste Rule grinsen, wenn auch nur kurz. Lupi und Katzen gingen sich in der Regel aus dem Weg. „Genau! Und was ich dir jetzt sage, ist nur für deine Ohren bestimmt, Benedict. Isen weiß darüber Bescheid, aber der Rat nicht.“
Benedict nickte. „Du bist nervös“, stellte er fest.
„Der Mondwechsel naht, und es ist ja schon eine ganze Weile her, und …“ Rule raufte sich abermals die Haare. „Im Moment gibt es eine Menge Gründe, nervös zu sein.“
„Du brauchtest wirklich mal ein ausgiebiges Training, aber dafür ist jetzt keine Zeit. Lass uns zu Fuß gehen!“ Und schon marschierte Benedict los.
Das Nervige an Benedict war unter anderem, dass er so oft recht hatte. Es tat gut, sich zu bewegen. „Cullen ist nur einer von vielen aus meiner Jugendzeit, mit denen ich in Verbindung geblieben bin. Es sind übrigens nicht nur Lupi. Alle Andersblütigen führen unter den Menschen leider meistens ein Einsiedlerdasein. Man redet nicht miteinander und tut sich schon gar nicht zusammen.“
„Du willst ja wohl nicht vorschlagen, dass wir mit den Todesfeen gemeinsame Sache machen.“
„Das ist wohl ein Witz.“
„Lass es mich wissen, wenn du dir sicher bist.“
Kurz bevor sie die Straße erreichten, änderten sie die Marschrichtung und bewegten sich instinktiv gegen den Wind. Der Boden auf dem Hügel war hart und staubig. Rules Schritte waren leise, doch Benedicts waren selbst für ihn fast nicht zu hören.
„Wir sind es gewöhnt, uns zu verstecken“, sagte Benedict. „Wir alle. Außerdem sind sich manche jahrhundertelang mit Ablehnung und Misstrauen begegnet. Das hat seine Gründe.“
„Einige dieser Gründe dürften eigentlich nach der Spaltung keine Rolle mehr spielen. Und die meisten Übrigen haben sich seit Jahrhunderten nicht mehr bemerkbar gemacht.“
„Aber jetzt wohl schon, wenn ich deinen Worten glauben darf.“
Rule nickte. „Ich bin mir zwar nicht sicher, aber Cullen schon.“
„Hast du außer eurer Freundschaft noch einen Grund, ihm zu glauben?“
„Du hast dich doch an seine Katze erinnert. Sie war sein Schutzgeist.“
„Aber er ist kein Hexer. Das kann unmöglich sein. Er ist ein Andersblütiger.“
„Nein, ein Hexer ist er nicht. Aber ein Zauberer.“
Benedict zog hörbar die Luft ein. „Du meinst, ein richtiger, kein blöder Dilettant? Aber … wie ist das möglich? Dieser Weg ist uns verschlossen.“
„Ich weiß es nicht. Aber seine Mutter war eine Hexe.“
„Was ebenfalls ein Ding der Unmöglichkeit ist. Ein zaubernder Einzelgängerwolf …“ Benedict schüttelte den Kopf. „Du machst mir Angst.“
„Dabei habe ich dir das wirklich Beängstigende noch gar nicht erzählt“, entgegnete Rule grimmig. „Cullen kam vor ein paar Wochen zu mir. Ihm war etwas Merkwürdiges an den Energien aufgefallen, mit denen er arbeitet – Turbulenzen nannte er es. Ich will jetzt nicht ins Detail gehen. Das heißt, ich kann es auch gar nicht, weil ich nur die Hälfte von dem, was er sagte, verstanden habe. Aber im Wesentlichen vermutet er, dass ein Konflikt zwischen Mächten in anderen Welten hierher reflektiert wird und die Nokolai irgendwie in diese Sache verwickelt sind – oder unsere Feinde, was auf dasselbe hinausläuft.“
Benedict schüttelte den Kopf. „Dafür gibt es nicht genug Berührungspunkte zwischen den Welten. Nicht mehr.“
„Das haben wir immer geglaubt. Aber es kursieren Gerüchte darüber, dass Wesen gesichtet wurden, die eigentlich nicht hier erscheinen dürften – eine Todesfee in Texas, ein Greif in Wales.“
„Alles nur Gerüchte“, sagte Benedict verächtlich.
„Ich weiß, ich weiß, Gerüchte beweisen gar nichts. Aber Cullen kam zu mir, weil … Verdammt! Fast hätte ich vergessen, dir das zu sagen.“ Rule atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. Das Laufen hatte ihm nur kurzfristig geholfen. Die innere Unruhe war wieder da und wurde sogar noch schlimmer. Er hatte ein merkwürdiges Kribbeln im Bauch. „Als Dank für die Warnung hat Vater Cullen für einen Monat die Unterstützung und den Schutz des Clans angeboten. Ich bezweifle, dass er auftaucht, aber wenn …“
„Ich werde mich um ihn kümmern. Aber fahr fort!“
„Also gut.“ Rule musste sich zwingen weiterzugehen. Er hatte das Gefühl, die falsche Richtung eingeschlagen zu haben. Sie waren zum Clangut unterwegs, und er wollte … er musste … „Cullen kam zu mir, nachdem ein verängstigter
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