Wolf Shadow 01 - Wilks, E: Wolf Shadow 01
sich auf keinen Fall einlassen durfte. Nach einem Mann, der überhaupt nicht wusste, was Treue war. Nach einem Mann, der gar kein richtiger Mensch war.
„Man hat seine Gefühle nicht immer unter Kontrolle“, sagte sie schließlich leise. „Aber man kann selbst entscheiden, ob man ihnen folgt oder nicht.“
„Und ich fürchte, ich weiß, wie du dich entscheidest.“ Er rieb sich seufzend den Nacken. „Lily, das wird so nicht funktionieren. Weder mit Vernunft noch mit Willenskraft lässt sich etwas an der Bindung ändern, die zwischen uns besteht. Das kannst du nicht einfach verdrängen, wie es vielleicht möglich wäre, wenn du dich nur ein bisschen in mich verguckt hättest.“
„Erstaunlich! Wir sind uns ausnahmsweise mal einig. Ich habe mich nicht in Sie verguckt. Ich weiß nicht einmal, ob ich Sie überhaupt mag.“
„Dessen bin ich mir bewusst. Im Moment bin ich auch nicht gerade begeistert von dir. Du bist störrisch, schwierig, voller Vorurteile …“
„Ich habe überhaupt keine Vorurteile!“
„Dann hast du also keine Schwierigkeiten mit meiner Abstammung?“
„Es sind vor allem Ihre sexuellen Gewohnheiten, die mir missfallen.“
Er grinste sie schief an. „Dann wird es dich ja freuen zu hören, dass sich meine Gewohnheiten durch dich geändert haben. Dauerhaft.“
„Aber sicher – für dumm verkaufen kann ich mich auch selber! Außerdem wäre es mir sehr recht, wenn wir beim Sie blieben!“ Lily blickte stur geradeaus, strich sich das Haar hinter die Ohren und hoffte, dass er ihr nicht ansah, wie durcheinander sie war. Verdammt, sie zitterte immer noch. „Müssen Sie nicht zu Ihrer Zeremonie?“
Er saß einfach nur da und sah sie an.
Sie weigerte sich, ihm in die Augen zu sehen, aber sie spürte seinen Blick. Und seine Erregung. Ihr Puls wollte sich einfach nicht beruhigen.
Schließlich ließ Rule den Motor an. „Es gibt viele Dinge, die ich Ihnen erklären müsste, aber es hat keinen Sinn, jetzt davon anzufangen. Nicht, wenn Sie mir sowieso nicht glauben wollen. Sagen Sie Bescheid, wenn Sie bereit sind, mir zuzuhören!“
Den Rest der Fahrt brachten sie schweigend hinter sich.
Das Clangut bestand aus einem langen, sichelförmigen Stück Land, das stellenweise an öffentliche Liegenschaften grenzte, größtenteils aber an ein Naturschutzgebiet. Laut Karte war das Gut nur über zwei Straßen zu erreichen – über die, die sie gerade befuhren, und über eine Privatstraße, die nach Norden in die kleine Gemeinde Rio Bravo führte. Der Teil des Gutes, den Lily nun vor sich sah, war eingezäunt.
Rule hielt vor dem Tor an. Ein junger Mann in Shorts – mit nichts sonst – wartete bereits davor und öffnete es. Er sah drahtig und sympathisch aus, lief barfuß umher und hatte Sommersprossen – ein richtiger Jimmy-Olsen-Werwolf. An seinem Gürtel hing ein Funkgerät.
Nachdem er das Tor geöffnet hatte, kam er zu ihnen. Rule kurbelte das Fenster herunter. „Sammy.“
„Hallo, Rule! Benedict hat gesagt, du sollst deinen Gast in das Haus des Rho bringen, bevor du auf den Versammlungsplatz gehst.“
Rule warf einen Blick auf Lily. „Sag ihm, du hast es mir ausgerichtet.“
Der junge Mann verzog das Gesicht. „Ich habe mich wohl falsch ausgedrückt. Nicht Benedict will sie sehen, sondern der Rho!“ Er spähte neugierig in den Wagen.
Rule stellte ihm Lily jedoch nicht vor. Er trommelte kurz mit den Fingern aufs Lenkrad, dann nickte er. Der junge Mann trat zurück, und sie fuhren durch das Tor.
„Anscheinend“, sagte Rule, „lernen Sie meinen Vater nun doch kennen.“
„Gut.“
„Da spricht die Polizeibeamtin, die einen Mord aufzuklären hat, nehme ich an. Nicht die Frau, mit der ich verbandelt bin.“
Sie wollte ihm sagen, dass sie keineswegs miteinander verbandelt seien, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. Noch vor wenigen Minuten hätte sie ihn beinahe verschlungen. Was auch immer sie waren, so ganz „unverbandelt“ waren sie jedenfalls nicht. Also schwieg sie lieber.
Hinter dem Tor führte die Schotterstraße um einen felsigen Bergrücken herum in ein lang gestrecktes Tal, in das ein kleines Dorf eingebettet war. Zwei Hunde – ein Terrier und ein zotteliger Collie-Mischling – rannten neben dem Wagen her, als sie in das Dorf einfuhren.
Hunde hatte Lily dort nicht erwartet. Sie passten für sie irgendwie nicht ins Bild.
Es gab keine klare Grenze zwischen Wildnis und Zivilisation. Keine wohlgeordneten Häuserblocks und Zäune. Die einfachen Ziegelstein-,
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