Wolf Shadow 01 - Wilks, E: Wolf Shadow 01
Geschrei zu hören. Lily löste sich ruckartig von Rule und riss die Augen auf. Er hob schwer atmend den Kopf. „Heilige Mutter, steh mir bei! Dein Kater will rein.“
Oh. Oh ja, natürlich, dachte sie und schmiegte den Kopf an seine Brust. Das war eindeutig Harry, der dringend Einlass begehrte. „Er kann dich riechen.“
„Ja.“ Rule klang angespannt. „Liebst du dieses Tier?“
„Natürlich.“
„Natürlich.“ Er seufzte. „Mit einem Hund wäre es viel einfacher. Und es ist auch noch ein Kater! Lass ihn lieber rein.“
„Aber …“ Aber ich kann nicht loslassen, kann nicht einfach aufhören, dachte sie. Könntest du – könnten wir nicht … Sie schüttelte den Kopf, um das Bild zu vertreiben, das vor ihrem geistigen Auge aufgetaucht war. Doch ihr Körper ließ sich nichts vormachen; er sagte ihr ganz genau, was sie brauchte. Ihn. In ihr. Sofort. „Ich glaube, jetzt verliere ich endgültig den Verstand.“
„Du wirst ihn wiederfinden, aber erst, wenn wir uns vereinigen. Aber jetzt …“ Er verzog das Gesicht, ließ die Arme sinken und trat zurück, „… muss ich mich erst mal mit deinem Kater auseinandersetzen.“
Lily schluckte. Sie musste Harry reinlassen. Sonst beschwerten sich die Nachbarn und verjagten ihn am Ende noch. Sie wollte nicht, dass ihm etwas zustieß. Er schrie immer noch, laut und klagend und herausfordernd. Eine klare Kampfansage. „Ich glaube, es ist nicht gut, wenn ihr euch begegnet. Ich bringe ihn ins Schlafzimmer.“
„Nein.“ Rule schüttelte den Kopf. „Er muss die Möglichkeit bekommen, dich zu verteidigen. Lass ihn rein!“
„Du wirst ihm aber …“
„Ich werde ihm nichts tun.“
Aber er dir vielleicht, dachte sie und verzog das Gesicht. Eine lächerliche Idee. Rule war sehr erfahren im Kampf mit anderen Werwölfen, da konnte ihm eine Katze wohl kaum etwas anhaben. Auch ein Siebzehnpfünder mit Aggressionsproblemen nicht. Oder etwa doch?
Sie warf einen Blick über die Schulter, als sie zur Wohnungstür ging. Rule kauerte einsatzbereit mitten im Raum. Er nahm Harrys Herausforderung ernst.
Vielleicht war das auch gut so. „Äh … er heißt übrigens Dirty Harry.“
Rule zog die Augenbrauen hoch. „Du hast deinen Kater nach einem Film-Cop genannt, der erbarmungslos Jagd auf Ganoven macht?“
„Passt doch. Obwohl seine Definition von Ganoven ziemlich umfassend ist.“ Sie öffnete die Tür.
Harry stürzte herein und hielt direkt auf Rule zu.
Die beiden bewegten sich so schnell, dass Lily gar nicht genau mitbekam, was eigentlich geschah. Sie sah Harry springen, und Rule schien mit einem Satz ohne Zwischenlandung von hier nach da zu zischen, wie sie es manchmal auch bei Harry beobachtet hatte. Dann kauerte Harry mit angelegten Ohren und zuckendem Schwanz zwei, drei Meter vor Rule.
„Ist schon okay“, murmelte Rule und ließ den Kater nicht aus den Augen. „Du hast das Recht, sie zu beschützen, aber ich werde ihr nichts tun. Du willst natürlich nicht teilen, aber das wirst du wohl oder übel müssen.“
Harry setzte erneut zum Sprung an. Rule duckte sich – und hatte den Kater auf dem Rücken. Dann bewegten sie sich wieder so schnell, dass Lily nur verschwommene Umrisse sah, und schließlich wälzte sich Rule auf dem Boden, während Harry ihn giftig anfauchte. Rule hatte Blut an der Wange. Lily machte einen Schritt auf ihn zu.
„Bleib zurück!“, rief Rule, ohne sie anzusehen.
Sie hielt inne. Mann und Kater starrten sich mit zusammengekniffenen Augen an, während sie zu begreifen versuchte, warum sie Rule gehorchte und was da eigentlich vor sich ging.
Harry setzte sich unvermittelt hin, knurrte noch einmal und wendete dann den Blick von Rule ab.
Rule richtete sich auf und schaute in die andere Richtung, als sei er plötzlich ganz fasziniert von der Wand.
Harry stand auf, zuckte mit dem Schwanz und kam hoch erhobenen Hauptes und mit immer noch gesträubtem Fell auf sie zu. Er strich ihr um die Beine, miaute und marschierte Richtung Küche.
„Er …“ Sie hätte beinahe gelacht. „Er will gefüttert werden.“
„Er macht seine Rechte geltend, um sich mir gegenüber zu behaupten“, erklärte Rule, ohne den Blick von der Wand abzuwenden.
„Ganz schön merkwürdig.“ Doch sie folgte Harry in die Küche, der bereits neben seinem Schälchen wartete und sie genau beobachtete. Sie gab ihm zu fressen und ging kopfschüttelnd wieder ins Wohnzimmer zurück. „Was tue ich hier eigentlich? Ich gehorche einem Kater und einem Halbwolf. Ich
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