Wolf Shadow Bd. 7 - Verbotene Pfade
dem Kissen. »Viel besser.«
Die Decke über ihr war graubraun. Sie und die Wände strahlten im Licht der Leselampe, der einzigen Lichtquelle im Raum, in einem sanften Goldton. Der Anstrich war eines von vielen Dingen, die sich in diesem Zimmer geändert hatten, seitdem ein sehr viel kleinerer Rule hier jede Nacht geschlafen hatte. Doch ein paar wenige Dinge aus dieser Zeit waren geblieben. Neben dem Fenster stand ein Bücherschrank aus Mahagoni. Benedict hatte ihn gebaut, bevor Rule geboren wurde, als Geschenk für seinen kleinen Bruder. In dem Bücherschrank standen einige Trophäen aus seiner Kindheit – ein perfekt erhaltenes Fossil von einem Trilobit, ein Fanghandschuh für eine kleine Hand, die abgegriffene, aber komplette Sammlung von E.E. »Doc« Smiths Lensman-Reihe.
Der Rest der Möbel war neuer, und in Größe und Stil für Erwachsene gemacht. Wie zum Beispiel der gemütliche Armsessel bei der Leselampe. Er war groß und ausgesessen und aus Leder – was hatten Männer nur mit Leder? – und von demselben Schokoladenbraun wie die Bettdecke.
Rule saß nicht in diesem Sessel, sondern neben ihr auf dem breiten Bett, und hielt ihre Hand. Die schokoladenfarbene Bettdecke war zurückgeschlagen; nur ein Laken bedeckte sie. Sie hörte gedämpfte Stimmen aus einem anderen Teil des Hauses. Die lauteste klang nach Cullen.
Sie versuchte wieder, ihren Kopf zu bewegen, und lächelte, als sie wunderbarerweise keinen Schmerz spürte. »Ich sollte Nettie Blumen schicken oder so. Du hast doch nicht die ganze Zeit bei mir gesessen, oder?«
»Nein.« Er beugte sich zu ihr und küsste sie auf die Stirn. »Ich bin hingebungsvoll, aber – «
»– nicht verrückt?«
»Carls Hühnchen mit Klößen ist ausgezeichnet.« Rule war zu vernünftig, das Risiko einzugehen, dass er hungrig wurde.
»Wie lange war ich bewusstlos?«
»Es ist schon nach zehn. Das Essen mit Toby hat länger gedauert.«
»Er ist durcheinander.«
»Er hatte viele Fragen über sie .«
»Mein Gott, Rule! Du meinst, Isen hat ihm gesagt – «
»Toby wusste schon von ihr.«
»Er ist erst neun!«
»Er kennt unsere Geschichte. Nicht im Detail, aber er weiß, dass sie die Feindin unserer Dame ist und damit auch unsere.«
»Es ist ein Unterschied, ob man Geschichten über längst Vergangenes hört oder erfährt, dass eine Große Alte mit Superkräften einen selbst und alle, die man liebt, umbringen will, und zwar im Hier und Jetzt .«
»Warum sollten wir ihm nicht die Wahrheit sagen?«
»Vielleicht, weil ihm das eine Heidenangst einjagen wird?«
Er schwieg einige wenige Herzschläge lang. »Angst gehört zum Leben dazu. Ich kann sie ihm nicht ersparen. Ja, Toby ist noch ein Kind, viele Entscheidungen werden für ihn getroffen, aber das heißt nicht, dass er keine Ehrlichkeit verdient. Wenn Isen recht hat – und Toby versteht, dass wir nicht mit Sicherheit wissen, dass sie dahintersteckt –, ist Tobys Leben in Gefahr. Deswegen muss er hierbleiben – weil wir ihn hier schützen können, und weil ihre Magie nicht in die Grenzen des Clangutes eindringen kann.«
Ihre Magie … nicht eindringen kann … Etwas fügte sich in Lilys Kopf zusammen. Aber … oh, es gefiel ihr nicht, wie gut es zusammenpasste. »Was ist mit den anderen Nokolai-Kindern?«, sagte sie langsam. »Wenn Toby in Gefahr ist … «
»Toby ist gefährdeter, weil weder bei den Nokolai noch bei den Leidolf die Frage des Thronfolgers eindeutig geregelt ist. Er ist ein naheliegendes Ziel.« Rule presste die Lippen aufeinander und fuhr dann fort: »Aber Isen überlegt, alle Nokolai-Kinder auf das Clangut bringen zu lassen und den verbündeten Clans anzubieten, ihre Kinder aufzunehmen. Ich weiß nicht, was ich tun werde. Die Leidolf haben nicht die gleichen finanziellen Mittel wie die Nokolai.« Er drückte ihre Hand und ließ sie dann los, um aufzustehen. »Du brauchst Energie. Ich hole dir Hühnchen und Klöße.«
»Nein, ich stehe auf.« Sie warf das Laken zurück und setzte sich aufrecht, woraufhin Harry protestierend grollte. Das Aufsetzen war keine einfache Angelegenheit. Dazu musste sie sich zuerst auf die Seite rollen, dann die Kante der Matratze mit der linken Hand greifen, um sich hochzustemmen.
Die gute Nachricht war, dass ihr Arm die Bewegung recht gut aufnahm. Die schlechte, dass ihre Kleider völlig zerknittert waren. Rule hatte ihr nur die Schuhe ausgezogen. Sie hätte gern geduscht, aber das war ihr noch nicht erlaubt. Nur Katzenwäsche. Sie schnitt eine Grimasse.
»Du
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