Wolf Shadow Bd. 7 - Verbotene Pfade
siehst gut aus.«
»Nein, tu ich nicht, aber danke für den Versuch. Sag mir nicht, Nettie will, dass ich mit diesem verdammten Stuhl sogar zur Toilette fahre.«
»Wenn du mir dein Wort gibst, dass du dich sicher auf den Beinen fühlst, verrate ich es ihr nicht.«
»Finden wir es doch heraus.« Sie stand auf. »He, gar nicht schlecht.« Sie lächelte. Sie war zurück. Sie wusste zwar nicht, wo sie gewesen war, aber nun war sie zurück.
Rule schüttelte den Kopf. »Soll das heißen, dass dir doch schwindelig war, als du uns vorhin beschimpft hast, weil wir dich nicht laufen lassen wollten?«
Sie tätschelte seinen Arm. »Jetzt ist mir nicht schwindelig.«
»Du nimmst mich nicht ernst.«
»Doch, doch.«
Langsam verzog er den Mund zu einem Lächeln. »Aber jetzt bist du sicher auf den Beinen.«
»Ich sagte doch, ich – «
Er brachte sie mit einem Kuss zum Schweigen.
Es war kein sanfter Kuss. Es war eine entschlossene Ansage, ein Kuss, der wusste, was er sagen wollte – und er wollte nicht sagen: »Werde wieder gesund« oder: »Ich mache mir Sorgen um dich«, so wie seine letzten Küsse. Dieser Kuss sagte: »Ich will dich«, und zwar laut und deutlich.
Lilys Körper erwachte. Voller Verlangen streckte sie die linke Hand aus, um über sein Gesicht zu streichen. Heute Morgen hatte er sich nicht rasiert, das leichte Gefühl von Sandpapier an ihren Fingerspitzen erregte sie. Oh, ihr Körper fühlte sich gut an, so lebendig und prickelnd wie selbst gemachte Limonade mit der Hälfte an Zucker – säuerlich und köstlich. Sie ließ sich von ihm mitreißen, drängte sich näher, trotz der Schlinge an ihrem Arm.
Er nahm ihre Unterlippe zwischen die Zähne und biss sanft zu. Sie erschauderte. Auf einmal war es nicht genug. Sie konnte ihm nicht nah genug kommen, schnell genug – die Schlinge, die Kleider, alles war im Weg. Sie ließ die unverletzte Hand an seinem Hinterkopf hochgleiten und zog ihn zu sich herunter. Sie brauchte den Druck. Härter. Sie brauchte es, brauchte beide Hände, um ihn zu packen, sich festzuhalten, ganz fest, ihn in sich zu ziehen und dort zu halten, brauchte ihn –
Ein stechender Schmerz schoss ihren Arm hoch, eine böse Blume mit schnell wuchernden Wurzeln. Sie taumelte zurück – weniger als einen Schritt, nur ein paar Zentimeter, aber genug, um sie zu trennen.
»Was habe ich getan? Lily – «
»Nicht du«, brachte sie heraus. »Ich bin schuld. Mein Arm. Ich – ich habe nicht aufgepasst und ihn bewegt. Druck ausgeübt.« Sie ließ die Stirn an seine Brust fallen. Ihr Atem ging schnell und stoßweise.
Er umfasste ihre Taille leicht mit einem Arm. Mit der anderen Hand spielte er mit dem Haar in ihrem Nacken. Lange sagte keiner von beiden etwas. Langsam atmete sie wieder normal.
Seine Stimme war ruhig. »Was war das?«
»Ich weiß es nicht.« Zuerst hatte es sich so gut angefühlt, aber dann war sie verzweifelt oder gierig oder was auch immer geworden. Sie hatte die Beherrschung verloren. »Vielleicht will ich es auch nicht wissen. Vielleicht ist das das Problem.«
Er ließ weiter ihr Haar sanft durch seine Finger gleiten. »Du wirst es herausfinden, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Wenn du bereit bist.«
Würde sie das? Zum ersten Mal seit der Schießerei war ihr Kopf klar. Sie spürte weder die von den Tabletten verursachte Dumpfheit noch die Benommenheit, wenn der Körper nur eines will: schlafen, schlafen, schlafen. Ihr Arm pochte wie ein fauler Zahn, doch die Erschöpfung, die körperliche Mattigkeit der Genesung waren gewichen. Jedoch alles, was sie mit ihrem frisch geklärten Kopf empfand, war Verwirrung – und die Ahnung einer unheilvollen Veränderung.
Sie verstand nicht, was es war. Schuldgefühl? War sie tief in ihrem Inneren überzeugt, auch wenn es dumm war, dass sie nicht das Recht hatte zu leben, wenn LeBron tot war? Nein, das war es nicht. Wieder und wieder war sie die Schießerei im Kopf durchgegangen. Selbst durch Tabletten benommen – vor allem dann – hatte sie sich immer wieder gefragt, was sie falsch gemacht hatte. Doch gefunden hatte sie nichts.
Oh, natürlich hätte sie sich entscheiden können, nicht laufen zu gehen. Nichts wünschte sie sich jetzt sehnlicher. Aber ihr Verstand sagte ihr, dass sie nicht hatte wissen können, dass die Gefahr real und akut war. Selbst Rule, der einen sehr ausgeprägten Beschützerinstinkt hatte, hatte geglaubt, eine oder zwei zusätzliche Wachen würden als Vorsichtsmaßnahme reichen, und das war in San Diego
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