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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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stundenlange Reden und Fragen und
    Schreiben hatten ihn erschöpft. Und er hatte noch einen weiten Weg vor sich.
    Als er gebückt durch die Tür trat, sah er, daß Bresser da war. Er hatte ihn vor einer Stunde das letzte Mal gesehen und ihn zu einem Botengang fortgeschickt. Jetzt saß er am Tisch, drehte einen tönernen Becher in seinen kurzen Fingern und blickte Tobias mit einer Mischung aus Ärger und Triumph entgegen. »Habt Ihr Euch endlich entschlossen, die Hexe wegzuschaffen?« fragte er.
    Tobias sah ihn zornig an, nickte aber nur stumm.
    »Dann werdet Ihr nichts dagegen haben, wenn ich wieder unter meinem eigenen Dach schlafe?« fuhr Bresser aggressiv fort. »Ihr werdet ja wohl dann auch drüben nächtigen?«
    Tobias verharrte mitten im Schritt. Bressers Worte waren nicht nur feindselig, sondern eindeutig verletzend. Er setzte zu einer wütenden Antwort an, aber plötzlich fiel ihm auf, wie glasig Bressers Augen aussahen. Er sah auf den Becher in Bressers Händen hinab und begriff, daß der Dicke betrunken war. Sich mit einem Betrunkenen zu streiten, war nun wirklich vergebliche Liebesmüh.
    Bresser musterte ihn herausfordernd und schien darauf zu warten, daß er etwas sagte. Aber Tobias drehte sich um und 300
    sah starr aus dem Fenster, bis endlich auf der Treppe wieder Schritte erklangen und er sich zur Tür wandte. »Kommt mit!« befahl er barsch.
    Bresser leerte in aller Ruhe seinen Becher, erhob sich schnaufend und kam auf unsicheren Beinen um den Tisch herumgewankt. Er mußte in der knappen Stunde, die vergangen war, seit Tobias ihn das letzte Mal gesehen hatte, praktisch den ganzen Krug leergetrunken haben, um so schnell betrunken zu werden, dachte er. Nun, darüber würden sie morgen sprechen.
    Maria und Katrin kamen ihm entgegen, als er die Stube verließ. Er sah Katrin jetzt zum ersten Mal anders als im Bett liegend. Und der Anblick erschreckte ihn. Sie war sehr blaß und bewegte sich so unsicher, daß Maria sie stützen mußte.
    Sie trug nicht mehr die Fetzen, in denen Tobias sie gefunden hatte, sondern eines von Marias Kleidern, das ihr viel zu weit war. Trotzdem war deutlich zu erkennen, wie
    erschreckend mager sie war. Aber was hatte er erwartet? Sie war mehr tot als lebendig gewesen, als er sie vor nicht einmal einer Woche gefunden hatte.
    Er eilte ihr entgegen und ergriff ihre Hand. Gleichzeitig gab er Bresser mit einer Kopfbewegung zu verstehen, ihren anderen Arm zu ergreifen. Er gehorchte, wenn auch mit sichtlichem Widerwillen, und als er Katrin berührte, verzog er das Gesicht zu einer Grimasse, als bereite ihm die Berührung körperlichen Ekel.
    In Katrins Augen schienen hundert unausgesprochene, angstvolle Fragen zu stehen, aber Tobias deutete ein Kopfschütteln an, und sie verstand. Schweigend und so schnell es Katrin möglich war, verließen sie das Haus und überquerten den Platz, um zum Turm hinüberzugehen.
    Und obwohl es nur wenige Schritte waren, wurde es zu einem Spießrutenlauf.
    Buchenfeld verwandelte sich von einem Herzschlag auf den anderen. Eine bislang apathische, geduckte Stadt war plötzlich von brodelnder Feindseligkeit erfüllt. Die Menschen auf der Straße blieben stehen, wie auf ein unhörbares Kommando hin, und starrten Katrin und Bresser und ihn 301
    an. Und plötzlich erschienen auch Gesichter in Türen und Fenstern. Alle Gespräche, alle Laute verstummten, und von einem Moment auf den anderen sah sich Tobias von hundert dunklen, feindselig blickenden Augenpaaren angestarrt.
    Auch Katrin spürte den Haß, der ihnen entgegenschlug.
    Tobias spürte, wie sich ihr Körper unter dem groben Stoff des Kleides versteifte. Ihr Blick irrte unstet hierhin und dorthin, fand nirgendwo halt und kehrte schließlich angsterfüllt zu seinem Gesicht zurück.
    Tobias versuchte, ihr mit einem aufmunternden Blick Mut zu machen, und ging weiter.
    Nichts rührte sich. Der Mönch mußte sich mit aller Macht beherrschen, um die wenigen Schritte zum Turmhaus mit Ruhe und Würde zurückzulegen. Und als sie endlich durch die Tür in sein schattiges, dunkles Inneres traten, konnte er ein erleichtertes Seufzen nicht unterdrücken. Auch Katrin schien eine Last von den Schultern zu fallen.
    Sie blieben stehen. Tobias warf Katrin einen kurzen, irri-tierten Blick zu und wandte sich dann noch einmal zur Tür.
    Er konnte jetzt nur noch einen kleinen Teil des Platzes übersehen, aber er bemerkte, daß sich die Menschen draußen noch immer nicht rührten. Sie standen einfach da. Ein stummes, drohendes

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