Wolfgang Hohlbein -
zu tun. Und . . .«
Temser unterbrach ihn mit einer zwar freundlichen, aber 306
recht bestimmten Geste. »Ihr habt den ganzen Tag hart gearbeitet, Pater«, sagte er. »Also tut Euch selbst einen Gefallen und schont Euch ein wenig.« Er lächelte fast verschmitzt.
»Ihr werdet sehen, meine Frau ist eine ausgezeichnete Köchin. Selbst der Graf weiß ihre Küche zu schätzen.«
»Das habe ich bereits gehört«, antwortete Tobias. »Aber trotzdem . . . Ich glaube, es war keine so gute Idee, Euch vorschnell zuzusagen. Ich bin müde, und außerdem wartet noch eine Menge Arbeit auf mich. Bitte verzeiht, wenn ich es daher vorziehen würde, hier zu bleiben.«
Für einen ganz kurzen Moment glaubte er Schrecken in Temsers Blick zu gewahren. Doch als er antwortete, klang seine Stimme sehr gefaßt und nüchtern: »Meine Gattin wäre zu Tode betrübt! Ich habe bereits einen Jungen vorausgeschickt und ihr ausrichten lassen, daß Ihr uns heute abend die Ehre gebt.« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin sicher, sie hat bereits alles vorbereitet.«
»Nun ja, wenn das so ist . . .«
Tobias lächelte, breitete die Arme aus und ging weiter.
Und Temser folgte ihm. Er hatte nicht vorgehabt, wirklich abzusagen, aber Temsers Reaktion - so rasch er sich auch wieder in der Gewalt gehabt hatte - hatte auch seine letzten Zweifel beseitigt, ob sein Mißtrauen nun berechtigt war oder nicht. Aus irgendeinem Grund legte der Bauer großen Wert darauf, daß Tobias diesen Abend auf seinem Gut verbrachte.
Oder irgendwo - nur nicht in der Stadt.
Aber warum?
Die verrücktesten Gedanken schossen Tobias durch den Kopf, während er vor Temser das Haus betrat. Vielleicht wollten die Buchenfelder dem sonderbaren Inquisitor zuvor-kommen und selbst ihre Art von Gerechtigkeit an Katrin üben. Doch dann wäre es wohl kaum Temser gewesen, der ihn fortlocken sollte. Tobias mußte sich eingestehen, daß er die Lösung dieses Rätsels nicht finden würde. Ihm blieb also gar nichts anderes übrig, als den Bauern zu begleiten und zu sehen, was geschah. Aber diesmal würde er aufmerksamer sein als an jenem Abend im Schloß.
307
13
Sie waren frühzeitig losgeritten, so daß sie das Gut noch mit dem letzten Licht des Tages erreichten. Nichts schien sich hier verändert zu haben. Obgleich mehr als ein Dutzend Gestalten auf ihrem halbfertigen Dach der Scheune herumkletterten, hämmerten und sägten, hatte Tobias das Gefühl, als wären die Arbeiten keinen Schritt vorangekom-men. Ein großer, struppiger Schäferhund mit schwarz-gelbem Fell begrüßte seinen Herrn mit freudigem Gebell. Temser zügelte sein Pferd und sprang mit einer Bewegung, die Tobias bei einem Mann seiner Statur und vor allem seines Alters kaum mehr erwartet hätte, aus dem Sattel, um sich in die Hocke sinken zu lassen und dem Hund Kopf und Nacken zu kraulen. Er sah zu Tobias auf und deutete ihm, es ihm nachzumachen. Aber Tobias zögerte. Er hatte stets Angst vor großen Hunden gehabt, dabei war er niemals im Leben von einem Hund gebissen oder auch nur angegriffen worden.
»Was habt Ihr, Tobias?« fragte Temser augenzwinkernd.
»Fürchtet Ihr unseren alten Hortus?« Er lachte, als Tobias weder nickte noch verneinte, und fügte in amüsiertem Tonfall hinzu: »Laßt Euch nicht von seinem Gekläff beirren. Er ist das freundlichste Wesen, das ich kenne.«
Nicht aus Überzeugung, sondern einzig, um nicht völlig als Feigling dazustehen, kletterte Tobias ungeschickt vom Rücken des Pferdes, näherte sich dem Hund und streckte behutsam die Hand aus. Der Hund legte den Kopf schräg, schnupperte an seinen Fingern - und zog knurrend die Lef-zen hoch. Tobias machte hastig einen Schritt zurück. Temser runzelte verblüfft die Stirn, griff aber gleichzeitig nach dem Nackenfell des Hundes und hielt das Tier mit eisernem Griff fest.
»Das verstehe ich nicht«, sagte er verblüfft. »Das hat Hortus noch nie getan.«
Tobias zuckte mit den Achseln, zwang sich zu einem matten Lächeln und ging in respektvollem Bogen um den Hund 308
herum. Das Tier folgte ihm aufmerksam mit Blicken, und ein dunkles, drohendes Knurren klang aus seiner Brust.
Temsers Blick wanderte irritiert zwischen Tobias und dem Hund hin und her, dann murmelte er irgend etwas, zuckte abermals mit den Schultern und führte den Hund fort, um ihn an die Kette zu legen.
»Das ist wirklich sonderbar«, sagte er verstört, als er wieder zu Tobias zurückkam.
»Ich habe niemals erlebt, daß er sich so gebärdet, wenn er nicht angegriffen
Weitere Kostenlose Bücher