Wolfgang Hohlbein -
wird.«
Tobias zuckte mit den Achseln. »Vielleicht«, sagte er lächelnd, »mag er keine Männer in Kutten.«
Temsers Lächeln wirkte gequält. Und für einen kleinen Moment kam ein neues Gefühl zwischen ihnen auf: ein gegenseitiges Mißtrauen, das Tobias bisher in der Nähe dieses Mannes noch nicht verspürt hatte. Aber der Augenblick verging so schnell, wie er gekommen war, und sie gingen weiter und betraten das Haus.
Wie sich herausstellte, hatte Temsers Frau tatsächlich alle Vorbereitungen für ein wahres Festmahl getroffen. In der Stube war die große Tafel festlich gedeckt: Silbernes Geschirr und Kerzenleuchter aus dem gleichen, edlen Mate-rial standen auf einer Decke aus blütenweißem Damast. In großen, polierten hölzernen Schalen lagen Obst und
Gebäck, und aus der Tür zur Küche drangen verlockende Düfte und die aufgeregten Stimmen der Bäuerin und ihrer Mägde.
Tobias' Blick glitt verblüfft und bewundernd zugleich über die festlich geschmückte Tafel. Der Anblick ließ ihn zumindest ahnen, warum Temser den Verlust des wertvollen Pferdes so gelassen hingenommen hatte. Das, was er hier sah, hätte auch einem der großen Kaufmannshäuser in Lübeck oder Hamburg zur Ehre gereicht. Er hatte gewußt, daß Temser kein armer Mann war, aber wie wohlhabend er war, bewies dieses Festmahl.
»Habt Ihr das alles . . . nur meinetwegen aufgetragen?«
fragte er unsicher.
Der Bauer nickte. Ein verzeihungsheischendes Lächeln 309
huschte über seine Züge. »Ich sagte Euch ja, Pater Tobias, daß meine Frau sich sehr freuen wird, Euch bewirten zu dürfen. Ihr nehmt ihr diesen Aufwand doch nicht übel?«
»Aber warum sollte ich?« fragte Tobias verblüfft. »Ein wahrer Christmensch sollte aber nicht nur sein eigenes Wohl sehen, sondern auch das der Menschen um ihm.«
Temser überging den letzten Satz geflissentlich, bat ihn mit einer Geste, sich einen kleinen Moment zu gedulden, und verschwand in der Küche. Tobias hörte ihn eine Zeitlang mit seiner Frau reden, dann kam er zurück, bat ihn mit einer neuerlichen Geste um Verzeihung und deutete einladend auf die Bank hinter der Tafel. »Nehmt doch Platz, Tobias«, sagte er. »Es wird noch eine Weile dauern. Oder möchtet Ihr Euch erfrischen nach dem Ritt?«
Tobias sah ihn fragend an.
»Wir können ein paar Schritte gehen«, erklärte Temser.
»Es gibt eine kleine Quelle gleich hinter dem Haus. Und wenn Ihr wollt, dann zeige ich Euch den Hof.«
Tobias nahm das Angebot mit einem dankbaren Nicken
an, und sie verließen das Haus wieder und überquerten den Hof. Die Quelle, von der Temser gesprochen hatte, war ein dünnes Rinnsal, das zwischen einem kleinen Haufen moos-bewachsener, flacher Steine hervorsprudelte und nur wenige Schritte weiter bereits wieder im Boden versickerte.
Aber das Wasser war eiskalt, und nachdem Tobias sich gründlich Gesicht und Hände gewaschen hatte, trank er ein paar Schlucke davon und stellte fest, daß es köstlich schmeckte.
Obwohl er nicht aufsah, spürte der Mönch, wie der Bauer ihn beobachtete, während er seinen Durst löschte, als erwarte er, daß Tobias wegen dieses Wassers eine Bemerkung machte; eines Wassers, das in einer Stadt wie Buchenfeld einen wahren Schatz darstellen mußte. Aber Tobias nickte nur dankbar, erhob sich wieder und erklärte Temser, daß er nun neugierig sei, sein Anwesen kennenzulernen.
Der Bauer machte nicht einmal den Versuch, seine Enttäuschung zu verhehlen, aber er sagte nichts, sondern nickte bloß und machte eine einladende Geste, ihm zu folgen.
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Der Hof war tatsächlich sehr groß. Er war sogar noch viel größer, als Tobias bisher angenommen hatte, denn jenseits des sauberen Rechteckes aus festgestampftem Lehm, das an drei Seiten von Gebäuden und an der vierten von der halb-fertiggestellten Scheune eingegrenzt wurde, erstreckten sich noch eine Anzahl niedriger, langgestreckter Stallungen, die Tobias bisher noch nicht aufgefallen waren und die, dem Geruch nach zu urteilen, Schweine beherbergten. Tobias war ein wenig erstaunt. Zu einem Mann wie Temser hätten eher Kühe gepaßt, fand er.
»Schweine sind leichter zu halten«, sagte Temser zur Erklä-
rung. »Sie fressen alles, was man ihnen gibt, aber nichts, was schlecht für sie ist. Kühe sind dumm. Ständig muß man darauf achten, daß sie kein giftiges Kraut fressen oder verdorbenes Wasser saufen.«
»Das Wasser aus Eurer Quelle war nicht verdorben«,
bemerkte Tobias. Er hatte plötzlich das Gefühl, einem Geheimnis auf der
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