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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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Tropfen zu sein. Trotzdem - ich glaube nicht, daß ich ihn ganz austrinken möchte. Ich vertrage nicht viel, müßt Ihr wissen.«
    »Trinkt nur soviel oder so wenig Ihr wollt«, antwortete Temser. »Und macht Euch keine Sorgen. Ich werde dafür sorgen, daß Ihr eine Stunde vor Sonnenaufgang geweckt werdet.«
    Es gelang Tobias nicht, seinem Blick standzuhalten. Er kam sich ob des kleinen Tricks schäbig und gemein vor. Er hatte Temser aus vermutlich richtigen Gründen hintergan-gen. Vielleicht war seine Seele wirklich so vergiftet, daß er überall nur noch Lug und Trug sah. Sein Beichtvater in Lübeck, wenn er denn bald zurückkehrte, würde ihm eine ordentliche Strafpredigt erteilen.
    Vorsichtig nippte er noch einmal an seinem Becher, stellte ihn halb geleert auf den Tisch zurück und erhob sich. »Wenn Ihr mir meine Kammer zeigen würdet . . .?«
    »Selbstverständlich. Folgt mir.«
    Sie verließen die Stube und gingen eine breite, nicht sehr steile Treppe ins Dachgeschoß des Bauernhauses hinauf.
    Temser führte ihn über einen langen Korridor bis zu einer kleinen Kammer, deren Tür halb offenstand. Das gelbe Licht einer brennenden Kerze fiel auf den Gang, und Tobias konnte den gebeugten Rücken einer Magd erkennen, die damit beschäftigt war, in seinem Bett nach nicht vorhande-nem Ungeziefer zu suchen.
    Als sie das Zimmer betraten, richtete sich die junge Frau 318
    auf und sah zuerst Tobias, dann ihren Herrn irritiert an. »Ich habe alles abgesucht«, sagte sie.
    Temser lächelte flüchtig. »Es ist schon gut«, sagte er, »geh nur.«
    Die Magd entfernte sich, und der Bauer deutete auf das breite, frischbezogene Bett, das sie für ihn gerichtet hatte.
    Auch dieses Bett war mit feinstem, weißem Damast bezogen.
    Tobias mußte plötzlich an das denken, was Temser selbst über das Verhältnis der Menschen zu den Mächtigen gesagt hatte. Wenn es stimmt, daß Reichtum Macht bedeutete, dann war er mindestens ebenso mächtig wie der Graf.
    »Ich hoffe, es ist alles zu Eurer Zufriedenheit, Pater Tobias«, sagte Temser - und hob überrascht die linke Hand vor den Mund, um ein Gähnen zu unterdrücken.
    Tobias hatte sich nicht genug in der Gewalt, um nicht zu erstarren und den Bauern betroffen anzublicken. Alles, was er noch vor einem Augenblick über Temser gedacht hatte, war verschwunden. Jede Abbitte, die er ihm in Gedanken getan hatte, dahin. Sein Mißtrauen war neu erwacht.
    »Ich glaube fast, Ihr hattet recht mit dem, was Ihr über den Wein gesagt habt«, sagte Temser irritiert. »Ich sollte vielleicht auch ein wenig vorsichtiger damit sein.«
    »Es ist spät«, antwortete Tobias. »Auch ich bin müde. Und ich habe weniger getrunken als Ihr.« Er rieb sich übertrieben mit den Fingerknöcheln die Augen und ließ sich mit einem erschöpften Seufzen auf die Bettkante sinken.
    Temser gähnte erneut, blinzelte und riß angestrengt die Augen auf. Auf seinem Gesicht spiegelten sich Müdigkeit und Verwirrung. »Wenn Ihr noch irgend etwas braucht, dann ruft nur«, sagte er. Seine Bewegungen waren fahrig geworden.
    Tobias ließ sich auf das Bett sinken, schloß die Augen und tat dann so, als bereite es ihm unsägliche Mühe, die Lider noch einmal zu heben. »Gute Nacht«, sagte er.
    Temser schlurfte mit kleinen, mühsamen Schritten hinaus.
    Er wankte fast, als er die Tür hinter sich zuzog, und das Geräusch seiner Schritte verklang nur allmählich und sehr schleppend.
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    Trotzdem blieb Tobias noch gute fünf Minuten reglos und mit geschlossenen Augen auf seinem Bett liegen, ehe er sich wieder erhob. Er war keineswegs müde, im Gegenteil, hinter seiner Stirn jagten sich die Gedanken. Sein Verdacht, so bizarr und wahnwitzig er ihm selbst vorgekommen war, hatte sich bewahrheitet. Temser hatte versucht, ihm etwas zu geben, damit er schlief. Und es konnte kein Zufall sein, daß er es ihm auf die gleiche Art und Weise zu verabreichen versucht hatte, auf die auch Theowulf dafür Sorge zu tragen getrachtet hatte, daß Tobias auch wirklich die Nacht in seinem Schloß verbrachte. Das Schlafmittel war nicht im Wein gewesen, sondern im Becher. Ein Trick, der so simpel wie genial war - und der Tobias völlig absurd erschien. Wer würde schon einen mit Schlafpulver präparierten Becher in seinem Regal stehen haben?
    Wer, außer jemandem, der öfter einmal dafür sorgen
    mußte, daß unverhoffte Gäste gewisse Dinge nicht sahen oder hörten . . .
    Er löschte die Kerze, ging zum Fenster und blickte auf den Hof hinab. Alles lag dunkel

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