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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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da mußte Tobias ihn bitten, sie zu wiederholen.
    315
    Der Bauer lächelte. »Ich fragte, ob Ihr müde seid, Tobias?«
    »Ein wenig«, gestand der Mönch.
    Temser stand auf. »Dann werde ich Bescheid geben, daß man Euer Bett richtet«, sagte er.
    »Wir können auch noch ein wenig reden«, antwortete
    Tobias. »Ich möchte nicht ungastlich erscheinen.«
    Temser lachte leise. »Das seid Ihr nicht«, sagte er. »Wir gehen hier sehr früh zu Bett.«
    »Dann laßt Euch von mir nicht aufhalten. Auch ich will bei Sonnenaufgang zurück in der Stadt sein.«
    »Natürlich«, antwortete Temser. »Ich gebe gleich der Magd Bescheid. Aber bevor Ihr schlafen geht, nehmt Ihr noch einen Becher Wein mit mir.«
    Tobias hob abwehrend die Hand. »Ich glaube, ich habe schon zuviel getrunken.«
    »Unsinn!« widersprach Temser in gutmütig tadelndem
    Tonfall. »Das war unser selbstgebrautes Bier, nun kostet auch von unserem Wein.«
    Er wandte sich um und trat an sein Regal neben dem Fenster, um zwei schwere Becher von einem der Borde zu nehmen. Dann bat er Tobias um einen Moment Geduld und verschwand in der Küche. Tobias blickte ihm verwirrt nach.
    Irgend etwas . . . störte ihn. Er hatte das absurde Empfinden, diese Situation schon einmal erlebt zu haben; und es war kein angenehmes Empfinden.
    Temser kam zurück, einen bauchigen Krug in beiden Händen haltend und ein verschwörerisches Lächeln auf den Lippen. »So«, sagte er, während er den Krug auf dem Tisch abstellte und sich die Hände rieb, »das ist der Krug für besondere Gelegenheiten.«
    »Ich trinke wirklich nicht besonders -«
    Temser machte eine knappe, befehlende Geste. »Keinen Widerspruch!« sagte er streng. »Ich bestehe darauf! Ein kleiner Schlummertrunk wird uns beiden guttun. Außerdem bin ich gespannt auf Euer Urteil über den Wein. Er ist eine wahre Kostbarkeit.«
    Er füllte die zwei Zinnbecher randvoll mit der dunkelgel-ben, schimmernden Flüssigkeit.
    316
    Tobias wußte plötzlich, wo er diese Situation schon einmal erlebt hatte. Der bloße Gedanke daran kam ihm irrsinnig vor.
    Temser hob seinen Becher, um ihm zuzuprosten, und
    Tobias führte den seinen an die Lippen, trank aber nicht, sondern setzte ihn im letzten Moment wieder ab.
    »Ihr habt der Magd Bescheid gesagt, daß sie mein Bett gerichtet hat?« fragte er.
    Temser senkte seinen Becher wieder. »Natürlich«, antwortete er.
    Tobias' Gedanken überschlugen sich. Er suchte verzweifelt nach irgendeinem Grund, Temser noch einmal fortschicken zu können. »Dann tragt ihr bitte auf, das Zimmer noch einmal gründlich zu untersuchen«, sagte er. »Sie soll darauf achten, daß keine Spinnen oder Kakerlaken unter dem Bett sind. Ich hasse Ungeziefer.«
    Temser wollte etwas sagen, aber Tobias fiel ihm mit einem unglücklichen Lächeln ins Wort: »Ich weiß, daß Ihr ein sauberes Haus führt, Temser, aber das ist nun mal eine Marotte von mir. Ich hasse Ungeziefer wie die Pest. Ich bringe manchmal Stunden damit zu, das Zimmer zu inspizieren, wenn ich zum ersten Mal in einem Haus bin. Bitte faßt das nicht als Beleidigung auf.«
    Temser zuckte mit den Schultern, setzte seinen Becher auf dem Kaminsims ab und ging wortlos noch einmal in die Küche.
    Tobias stand auf, war mit einem Schritt am Kamin und tauschte seinen Weinbecher gegen Temsers aus. Dann kehrte er zu seinem Platz zurück und saß bereits wieder, als Temser hereinschritt.
    »Ich habe Eure Anweisung weitergegeben«, sagte er. Er wirkte immer noch verstört; sogar ein wenig verärgert.
    Was Tobias durchaus verstand. Seine Ausrede war wirklich ziemlich töricht gewesen. »Ich möchte Euch noch einmal um Verständnis bitten«, sagte er verzeihungsheischend. »Ich hoffe, Ihr seid nicht beleidigt.«
    »Nein«, antwortete Temser. Er griff nach seinem Becher, nahm einen kräftigen Schluck und deutete, Tobias mit den Augen zu, ebenfalls zu trinken.
    317
    Tobias gehorchte. Der Wein war wirklich ausgezeichnet: Schwer und süß und sehr stark. Wenn er diesen Becher völlig leerte, dann würde er in dieser Nacht wie ein Toter schlafen - ganz egal, ob sein Verdacht zutraf oder nicht.
    Er nahm einen zweiten, nicht mehr ganz so starken
    Schluck und sah aus den Augenwinkeln, wie Temser seinen eigenen Becher mit einer einzigen Bewegung leerte und sich genießerisch mit der Zungenspitze über die Lippen fuhr.
    »Nun?« fragte er. »Was sagt Ihr, Tobias?«
    »Ich verstehe nicht viel vom Wein«, antwortete Tobias ausweichend, »aber es scheint mir wirklich ein ausgezeichneter

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