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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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verhindern müssen.« Er verbarg wieder das Gesicht in den Händen und unterdrückte ein Schluchzen. »Mein Gott, was habe ich nur getan?«
    »Du hast richtig gehandelt«, sagte Katrin. Sie hob die Hand, berührte mit den Fingerspitzen sanft Tobias' Wange und Lippen, und ein Schaudern durchfuhr ihn. »Ich weiß, daß du mir nur helfen wolltest«, sagte sie. »Aber glaube mir, es wäre dir nicht gelungen. Sie hätten niemals zugelassen, daß du mich freisprichst. Ganz egal, welche Beweise du für meine Unschuld gefunden hättest oder nicht - sie hätten es nicht zugelassen.«
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    »Wer sind sie?« fragte Tobias. »Bitte, Katrin, sag mir, was in dieser Stadt vor sich geht. Was . . . passiert hier? Sie halten Schwarze Messen ab! Sie beten Dämonen und Geister an!«
    Wieder berührten Katrins Finger sein Gesicht, und wieder spürte er diesen Schauder, gegen den er hilflos war. Oh, er versuchte es, er versuchte mit aller Kraft, seine Gefühle zu beherrschen, versuchte mit verzweifelter Macht, die Bilder und Gedanken zu unterdrücken, die aus seiner Erinnerung emporstiegen. Aber er war nicht einmal fähig, seine eigenen Hände zurückzuhalten, als sie sich hoben und Katrins Schultern berührten, um sie sanft an sich heranzuziehen.
    Sie wehrte sich nicht dagegen, sondern schmiegte sich an ihn und lehnte das Gesicht gegen seine Schulter. Er fühlte das Klopfen ihres Herzens unter dem dünnen Stoff des Kleides und den betörenden Duft ihres Haares. Seine Hände streichelten ihr Haar, berührten ihr Gesicht und fuhren die Linien ihrer Augen, der Nase und der Lippen nach, wie die Finger eines Blinden, die das Antlitz seines Gegenübers erta-steten, weil sie es nicht sehen konnten. Und wieder geschah es: Wie durch Zauberei verwandelte sich Katrin zurück in den Menschen, den er gekannt hatte, wurde von einer Frau zu jenem Kind, dem er mit reiner, unverfälschter Liebe gegenübergetreten war.
    Ein letztes, ein allerletztes Mal versuchte er, die Gewalt über seine Gefühle zurückzuerlangen. »Bitte nicht, Katrin«, flüsterte er. »Wir . . . dürfen das nicht.«
    Katrin lachte; ein ganz leiser, warmer Ton, der seinen Widerstand schneller und endgültiger zerbrechen ließ als alles, was sie hätte sagen oder tun können.
    Plötzlich waren sie nicht mehr in der Höhle, sondern wieder am See. Wieder die Kinder, die sie damals gewesen waren. Er fühlte ihren Körper unter seinen Händen, ihre Wärme, den schnellen und doch beruhigenden Schlag ihres Herzens, die Verlockung, die sie bedeutete, so süß, daß sie fast weh tat.
    Seine Lippen flüsterten noch einmal sinnlose Worte des Widerstandes, aber seine Hände glitten über ihr Kleid, 349
    streiften es über ihre Schultern und streichelten ihren nackten Rücken.
    Katrins Atem ging schneller. Sie hob sich über ihn, nahm sein Gesicht in beide Hände wie das eines kranken Kindes und küßte ihn.
    Ein Taumel ergriff ihn, den er sich nie zuvor auch nur hatte vorstellen können. Er war nicht mehr Herr seiner Gedanken. Mit aller Kraft riß er sie an sich, zerrte an ihrem Kleid und half ihr, als sie sich an seiner Kutte zu schaffen machte und sie abzustreifen versuchte. Immer heftiger preßte er sie an sich, erwiderte ihre Küsse, liebkoste ihr Gesicht, ihren Hals, ihre Brüste, ihren ganzen Körper. Es war, als verwandele sich sein Alptraum in einen Glücks-wahn. Was die Hölle gewesen war, war jetzt der Himmel.
    Nach einer geraumen Weile richtete sich Katrin neben ihm auf und begann ungeschickt in der Enge der Höhle ihr Kleid wieder überzustreifen.
    »Tut es dir leid?« fragte sie plötzlich.
    »Leid?« Tobias dachte einen Moment nach. Er hatte mehr getan, als nur sein Gelübde zu brechen, aber das alles hatte keine Bedeutung mehr.
    »Nein«, sagte er.
    Katrin beugte sich zu ihm herab, küßte ihn flüchtig auf den Mund und richtete sich wieder auf.
    »Was hast du vor?« fragte Tobias.
    »Ich werde nachsehen, ob sie gegangen sind«, erwiderte Katrin.
    Tobias wollte sie zurückhalten, aber Katrin war schon den Hang hinauf gekrochen. Diesmal nahm er einen flüchtigen grauen Schimmer von Licht wahr, als sie die Büsche am Eingang zur Seite schob. Nach einem kurzen Rascheln wurde es wieder dunkel. Offensichtlich hatte Katrin die Höhle verlassen.
    Sie blieb nicht sehr lange. Tobias nutzte die Zeit ihrer Abwesenheit, ungeschickt seine Kutte wieder überzustreifen und sie notdürftig zu reinigen. Und Ordnung in seinen Gedanken zu schaffen. Er fühlte keine Reue. Er würde sein Amt

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