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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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suchen hatte.
    Statt zu antworten, gestikulierte Katrin ihm noch einmal hastig zu, still zu sein, ging in die Hocke - und war plötzlich verschwunden. Er hörte ein Rascheln, dann einen dumpfen Aufschlag und kurz darauf Katrins Stimme, die verzerrt aus der Tiefe zu ihm heraufdrang: »Schnell! Beeil dich!«
    Tobias sah sich noch einmal um und begann, vorsichtig hinunterzuklettern - aber schon nach dem ersten, ungeschickten Schritt verloren seine Füße den Halt; er schlitterte mit einem unterdrückten Schrei in das schwarze Nichts hinab. Einen Herzschlag später prallte er unsanft gegen Katrin, die offenbar am Ende des kurzen Schachtes auf ihn gewartet hatte. Im Dunkel stürzten sie übereinander. Tobias spürte, wie sich sein Ellenbogen unsanft in Katrins Rippen grub. Gleichzeitig prallten seine Knie so hart gegen einen Stein, daß er einen neuerlichen Schmerzlaut nicht mehr unterdrücken konnte, zur Seite rollte und sich krümmte.
    »Still!« flüsterte Katrin entsetzt. »Um Gottes willen, Tobias, keinen Laut!«
    Tobias biß die Zähne aufeinander. Mit aller Macht unterdrückte er ein Stöhnen. Sein rechtes Knie brannte und pochte. Er fühlte, wie warmes Blut über sein Bein rann. Aber er wagte es nicht, auch nur noch einen Laut von sich zu geben, sondern lag zitternd da, während Katrin sich wieder erhob und auf Händen und Knien auf den Ausgang der
    Höhle zukroch. Er konnte nicht sehen, was sie tat, aber er hörte ein kurzes Rascheln, und nach wenigen Augenblicken 344
    erlosch auch der letzte blasse Lichtschimmer; offensichtlich hatte sie den Höhlenausgang wieder mit den Büschen
    getarnt, die sie gerade zur Seite geschoben hatte.
    Eine Woge absoluter Finsternis schlug über Tobias zusammen. Und plötzlich, jäh, ohne Vorwarnung, war die Furcht wieder da. Sie sprang ihn an wie ein Raubtier, das in der Dunkelheit gelauert hatte und seiner Beute nun sicher war, schlug ihre Krallen in seinen Verstand und ihre Fänge in sein Herz. Jeder Versuch, ihr mit Logik zu begegnen, war zum Scheitern verurteilt. Er wußte, daß er in Sicherheit war, in einer tiefen Höhle, aber gleichzeitig wußte er auch, daß er nie wieder hier herauskommen würde, gefangen war an einem Ort ohne Licht und Luft, einem Vorposten der Hölle.
    Die Dunkelheit legte sich wie eine schwere Last auf seine Brust und schnürte ihm den Atem ab. Und plötzlich fühlte er, wie sie Gestalt annahm, zum Leben erwachte und über seine Hände, seine Beine und sein Gesicht huschte. Klebrige Spinnfäden legten sich auf seine Augen und seinen Mund.
    Und die Finsternis kroch wie ein Pesthauch über jede Pore seiner Haut und vergiftete auch das Innere seines Körpers.
    Er schrie, bäumte sich auf und begann voller Panik um sich zu schlagen. Seine Fäuste prallten gegen Fels und Geäst, und dann erwischte er Katrin; er mußte ihr einen schweren Hieb verpaßt haben, denn sie schrie auf vor Schmerz, packte aber im nächsten Moment mit erstaunlicher Kraft seine Handgelenke.
    »Hör auf!« brüllte sie.
    Eine Hand klatschte in sein Gesicht; mit solcher Wucht, daß sein Kopf zurückgerissen wurde und gegen den Felsen schlug. Ein Feuerwerk bunter Sterne und Lichtblitze explodierte vor seinen Augen, aber der pochende Schmerz in seinem Hinterkopf riß ihn auch in die Wirklichkeit zurück. Der Schrei, der noch immer in seiner Kehle gellte, verstummte abrupt. Tobias sackte zusammen, verbarg für einen Moment das Gesicht in den Händen und versuchte, ein Schluchzen zu unterdrücken. Aber es gelang ihm nicht.
    »Beruhige dich!« flüsterte Katrin in beschwörendem Tonfall. »Sie werden dich hören, wenn du weiter so schreist.«
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    Tobias zwang sich, so ruhig und tief wie nur möglich zu atmen, versuchte, an nichts anderes zu denken als daran, daß sie in Sicherheit waren und diese Höhle nichts als ein finsteres, leeres Loch unter der Erde war. Kein Höllenschlund, in dem sie lebendig begraben waren, sondern nur ein Loch im Boden.
    »Alles wieder in Ordnung?« Katrins Hand berührte ihn sanft an der Schulter, tastete im Dunkel nach seinem Gesicht und versuchte, sein Kinn anzuheben. In der Höhle herrschte schwärzeste Nacht. Er hörte Katrins schnellen, rasselnden Atem. Er hob die Hände und tastete mit zitternden Fingern in die Richtung, in der er sie vermutete. Seine Fingerspitzen berührten ihren Arm, krochen weiter an ihrer Schulter und ihrem Hals empor und streiften ihre Wange, ehe er sie mit einer beinahe erschrockenen Bewegung wieder zurückzog.
    »Bitte schrei nicht

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