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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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Jahren. Vermutlich hatte Pretorius sie ausgewählt, weil 368
    sie Tobias daher recht unvoreingenommen begegnen konnten. Der Stuhl wurde gebracht, und Tobias ließ sich dankbar darauf nieder. Obwohl er fast zwei Wochen Zeit gehabt hatte, sich zu erholen, fühlte er sich doch schwach und ausgelaugt.
    »Bruder Pretorius«, begann er noch einmal, und jetzt unterbrach ihn der Abt nicht. »Ich ... ich bin so froh, Euch zu sehen.«
    Pretorius lächelte flüchtig. »Mich erfüllt gleichfalls Freude, dich wiederzusehen«, antwortete er. »Man sagte mir, du hättest eine Zeitlang auf Leben und Tod gelegen. Wie fühlst du dich?«
    Tobias zwang sich zu einem Lächeln. »Nicht besonders gut«, gestand er.
    Pretorius seufzte. »Du kennst die Geschichte vom verlorenen Sohn, Tobias. Der Herr kümmert sich besonders um die, die vom rechten Weg abgekommen sind und Buße tun wollen. Du weißt, warum ich gekommen bin?«
    Tobias nickte.
    »Und dir ist auch bekannt, was man dir vorwirft?« fuhr Pretorius fort.
    Tobias nickte abermals und brachte kein Wort zu seiner Verteidigung heraus.
    »Es sind ungeheuerliche Vorwürfe«, sagte Pretorius. »Es fällt mir schwer zu glauben, daß sie wahr sein sollen« Wieder schwieg er einige Augenblicke, und wieder sah er Tobias fragend an, und wieder sagte Tobias nichts. Schließlich, bevor das Schweigen zwischen ihnen übermächtig wurde, räusperte sich Bruder Telarius übertrieben. Tobias bemerkte, daß Telarius einige Bogen Pergament vor sich ausgebreitet hatte und einen Federkiel in der Hand hielt.
    »Ist es wahr?« fragte Pretorius plötzlich. »Man sagte mir, du hättest der Hexe zur Flucht verhelfen.«
    »Ja«, antwortete Tobias. »Es ist wahr.«
    Pretorius zog die Augenbrauen zusammen und richtete sich in seinem Stuhl auf; diese Bewegung schien ihn vollkommen zu verändern, vom Freund und Mitbruder wurde er zum Richter.
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    »Wir kennen uns lange genug, Tobias«, sagte er, »und ich bin ein alter Mann und habe keine Zeit mehr, unnötige Worte zu machen. Der Weg hierher hat mich ermüdet, und was ich gehört habe, hat mich erschüttert. Jetzt frage ich dich nur eines: Bist du bereit, über das, was du hier erlebt und getan hast, ehrlich Auskunft zu geben?«
    »Das bin ich«, antwortete Tobias. Er hob den Blick und sah Theowulf an, der neben ihm, aber in drei oder vier Schritten Abstand stehengeblieben war. Er konnte sich täuschen, aber er meinte, leise Anzeichen von Beunruhigung im Gesicht des Grafen zu erkennen. Vielleicht ahnte Theowulf, daß die Angelegenheit nicht ganz so verlaufen mochte, wie er es geplant hatte.
    »Dann laßt uns mit dem Verhör beginnen«, sagte Pre-
    torius.
    Tobias sah überrascht auf. »Verhör?«
    »Du stehst nicht als Angeklagter vor mir, Tobias«, sagte Pretorius, »sondern als Zeuge. Wir wurden gerufen, um über die Hexe zu urteilen, und dies wird hier und jetzt geschehen.« Er wandte sich mit einer entsprechenden Handbewegung an Telarius: »Du wirst alle Antworten Tobias'
    getreulich festhalten, Bruder.«
    Tobias gestand sich betroffen ein, daß er mit keinem Gedanken an Katrin gedacht hatte. Daß Pretorius und die beiden anderen auch über sie zu Gericht sitzen konnten, überraschte ihn vollkommen.
    »Du wurdest hierher geschickt«, begann Pretorius, »um dir Klarheit über die Anschuldigungen zu verschaffen, die gegen die Katrin Verkolt erhoben worden sind. Sie wird der Hexerei, der Schwarzen Magie und der Teufelsanbetung bezichtigt. Ist das richtig?«
    »Was die Anschuldigungen angeht, ja«, antwortete Tobias.
    Er sah, daß Theowulf die Stirn runzelte. Auch Pretorius schien ein wenig verärgert über diese Antwort zu sein. »Was hast du getan, nachdem du Buchenfeld erreichtest?«
    »Ehrwürdiger Vater, ich habe nach dem gesucht, der den Brief mit den Anschuldigungen geschrieben hatte, aber . . .«
    »Er hat sie freigelassen!«
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    Pretorius blickte verärgert auf, und auch Tobias wandte den Kopf. Der dicke Bresser stand nur wenige Schritte hinter ihm, sein Gesicht loderte vor Zorn. Anklagend deutete er mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf Tobias und sagte noch einmal:
    »Das erste, was er getan hat, war, die Hexe aus dem Gefängnis zu holen und unter mein eigenes Dach zu bringen! Ich mußte mein Haus verlassen, um ihr Platz zu machen!«
    »Schweig, Bresser!« sagte Pretorius. Er sprach ganz leise, und sein Gesicht blieb bei diesen Worten ausdruckslos wie zuvor, aber ihr Klang war so schneidend, daß Bresser wie ein geprügelter Hund den Blick senkte und

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