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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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Tobias' Hunger meldete sich immer machtvoller zu Wort, als hätten die ersten Bissen ihn gerade erst richtig geweckt, und er fühlte sich erst halb gesät-tigt, als er das Fleisch zur Gänze und fast die Hälfte des Brot-laibes vertilgt hatte. Er hätte noch einen Nachschlag vertragen können, aber er spürte die Blicke seines Gegenübers die ganze Zeit auf sich lasten, und er wollte nicht wie jemand erscheinen, der der Völlerei frönte, so beließ er es dabei, ein letztes Stück Brot abzubrechen, mit dem er den Bratensaft vom Teller tupfte, und es mit einem Schluck Wein herunter-zuspülen. Dann fuhr er sich genießerisch mit dem Handrücken über den Mund und lehnte sich zurück.
    »Ein gutes Mahl habt Ihr mir bereitet«, sagte er. »Ich danke Euch. Eure Frau ist eine vorzügliche Köchin, richtet Ihr das aus.«
    »Ich danke Euch, daß Ihr mein bescheidenes Geschenk angenommen habt«, antwortete Bresser mit einem öligen 42
    Lächeln. »Leider konnten wir Euch nicht standesgemäß bewirten.«
    Er schien auf eine ganz bestimmte Antwort zu warten, aber Tobias verspürte wenig Neigung, Floskeln auszutauschen. Er lehnte sich zurück, schloß die Augen und genoß einfach für die Dauer von fünf, sechs Herzschlägen die Dunkelheit und Stille. Dann richtete er sich wieder auf und sah Bresser an. »Es gibt also niemanden, der verantwortlich ist?«
    »Ich sagte bereits, daß ich mich um all Eure Wünsche kümmere, Vater, und . . .«
    Tobias unterbrach ihn mit einer nur angedeuteten, aber befehlenden Geste. »Wenn ihr keinen Bürgermeister oder Schulzen in der Stadt habt, wer hat dann den Brief geschrieben, in dem ich hierher gebeten wurde?« fragte er.
    »Verkolt«, antwortete Bresser. Tobias konnte es nicht in Worte fassen - aber er hatte plötzlich das sichere Gefühl, ein Thema angesprochen zu haben, das dem Dicken nicht behagte. »Er war ... so etwas wie der Bürgermeister hier.«
    »War und so etwas wie!« hakte Tobias nach.
    Bresser bewegte sich unwillig auf seinem Stuhl hin und her. »Er starb«, antwortete er. »Er erledigte alle anfallenden Arbeiten für den Grafen, wenn Ihr versteht.«
    Tobias nickte. Er glaubte zumindest zu verstehen. Wer immer dieser Theowulf war, er schien ziemlich selbstherrlich über Buchenfeld zu herrschen. Offensichtlich gestattete er der Stadt weder einen eigenen Rat noch ein Gotteshaus, was ihn als einen höchst unheiligen Menschen auswies.
    Aber darum würde er sich später kümmern. Er war nach Buchenfeld gekommen, um den Anschuldigungen nachzugehen, die gegen eine Frau aus dieser Stadt erhoben worden waren; nicht, um den Rat der Stadt zu untersuchen. Das ging ihn nichts an. Aber es störte ihn. Ungerechtigkeit hatte ihn immer gestört, obwohl (oder vielleicht gerade weil!) er sich durchaus darüber im klaren war, daß er in einer Welt lebte, in der das Wort Gerechtigkeit durchaus verschiedene Bedeutungen haben mochte; immer abhängig davon, wer man war und wo man stand.
    Tobias verscheuchte den Gedanken. Er wollte sich erhe-43
    ben, doch in diesem Moment schoß ein dünner, stechender Schmerz durch seinen Kopf, und er hatte sich nicht gut genug in der Gewalt, einen Schmerzlaut zu unterdrücken und nicht die Hand an seine pochende Schläfe zu heben.
    »Fühlt Ihr Euch nicht wohl, Pater?« fragte Bresser besorgt.
    Tobias zögerte einen Moment. Er fragte sich erneut, warum er nichts von der Frau und ihrem Sohn im Wald erzählt hatte. Die Lüge - die ja gar keine Lüge, sondern eher ein Verschweigen gewesen war - war ihm so glatt von den Lippen gegangen, daß er sie nicht hatte zurückhalten können. Aber sie wurde nicht zur Wahrheit, wenn er sie mit einer zweiten Lüge bestärkte.
    Er zögerte noch einen Moment, dann zuckte er mit den Schultern und erzählte Bresser die Geschichte des Angriffs; nicht ganz und nicht in allen peinlichen Einzelheiten. Bresser hörte wortlos, aber mit immer finsterer werdendem
    Gesichtsausdruck zu.
    »Der Junge hat Euch niedergeschlagen!« ächzte er ungläubig, als Tobias zu Ende gekommen war.
    Tobias zuckte mit den Schultern und lächelte ein wenig verlegen. »Er hat nur seine Mutter verteidigt«, sagte er aus dem plötzlichen - und ihm selbst nicht ganz verständlichen
    - Bedürfnis heraus, den Jungen zu verteidigen. Vielleicht lag es nicht so sehr an dem, was geschehen war, sondern einzig und allein an Bresser. Er bedauerte bereits wieder, die Geschichte überhaupt erzählt zu haben. Bresser war kein Mann, dem man sich anvertraute. Er mochte ihn nicht,

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